Matthias Hoch: Silver Tower Pavilion
Die Fensterinstallation und Billboards sind rund um die Uhr zu sehen.
Auf der Place Internationale, der Grünfläche unweit der station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf, besteht seit Sommer 2024 mit dem „Klassenzimmer der Zukunft“ ein temporärer Raum für die nGbK. Ein ehemaliger Messepavillon dient hier als Ausstellungsraum und Bildungsort für verschiedene Kooperationen von Anwohner_innen, Künstler_innen, Schüler_innen und Studierenden.
Der Leipziger Fotokünstler Matthias Hoch arbeitet nun mit seiner zweiteiligen, ortsbezogenen Fotoarbeit „Silver Tower Pavilion“ die Kontextgeschichte des Messepavillons für dessen neuen Standort heraus. Dazu zieht er Fotografien aus seiner Serie „Silver Tower“ (2009–11) auf sechs Billboards rund um den Pavillon auf. Weitere Arbeiten aus der Serie sowie eine eigens für die Ausstellung entstandene Neuproduktion, die sich mit dem Pavillon befasst, sind als Slideshow im Schaufenster der station urbaner kulturen zu sehen.
Der vom Architekturbüro ABB entworfene und 1978 in Frankfurt am Main erbaute „Silver Tower“ war bis 1990 das höchste Hochhaus Deutschlands. Bis 2008 diente er als Konzernzentrale der Dresdner Bank. Weiche Formensprache und der eingeschriebene Aufbruchswille setzten dabei neue Maßstäbe: Offene Bankzonen, Großraumbüro-Landschaften, Mitarbeiter_innenschwimmbad im obersten Stock, hochwertige Gestaltung und Möbelsysteme auch im Inneren sowie ein abgerundetes und leicht schwebendes Erscheinungsbild brachen tief in das Bahnhofsviertel ein.
Nach Milliardenverlusten wurde die Dresdner Bank 2009 von der Commerzbank übernommen. Damit war das Schicksal des „Silver Towers“ als Bankensitz besiegelt. Nach aufwändiger Entkernung und Sanierung wird das Gebäude unter dem Markennamen „Silberturm“ bis heute an die Deutsche Bahn vermietet. Der Fotograf Matthias Hoch begleitete mit einer künstlerischen Dokumentation die Abbruchzeit. Ihn interessierte die Erkundung des Leerstandes, die Hinterlassenschaften einer Ära, die Biografie des Ortes. Das verlassene Bankhochhaus des „Silberturms“ zeigt parallel zum Industrieverfall in den „Neuen Bundesländern“ eine Parallelwelt des Niedergangs der alten Bundesrepublik. Das dokumentarisch-künstlerische Projekt „Silver Tower“ erzählt vom Ende des kapitalistischen Wohlfahrtsstaates, mit Kraterspuren auf dem grauen Teppich, wo einst noch Möbel und Menschen standen.
ABB Architekten gelten als wichtigste Architekten der Nachkriegszeit in Frankfurt und haben neben dem „Silberturm“ auch die Bundesbank, die abrissgefährdeten Städtischen Bühnen, das Hotel Intercontinental, die erste Römerberg-Bebauung, das ausufernde Nordwest-Zentrum sowie zahlreiche Flughafengebäude entworfen und gebaut. 1971 entwarfen ABB Architekten einen Messepavillon im neuen Corporate Design Otl Aichers für die Dresdner Bank. Bis 1983 stand er auf dem Gelände der Messe Frankfurt und diente dort als Servicecenter für die Kundinnen der Bank. Nach verschiedenen Zwischennutzungen erwarb die nGbK den inzwischen baulich in Teilen veränderten Pavillon und baute ihn gemeinsam mit dem Bildungsverein Bautechnik, Schülerinnen der Knobelsdorff-Schule und der Konrad-Wachsmann-Schule in Hellersdorf auf.
Über Matthias Hoch
Der 1958 in Radebeul geborene Matthias Hoch hat an der HGB Leipzig und später in Essen studiert und an der HGB auch gelehrt. Seine Farbaufnahmen von Bahnhöfen der DDR sowie der Boom-Gebäude nach der Wende sind in zahlreichen Büchern dokumentiert. Die zumeist menschenleere und „ortsbeschreibende Fotografie“, aufgenommen mit Mittel- oder Großformatkamera, zeigen ihre Motive auf sachliche Weise und sind von einem schon damals großen Bildformat geprägt.