Community Organizing

2021 Typ: Glossar

Beim Community Organizing geht es um die systematische und möglichst nachhaltige Organisierung von weniger privilegierten Menschen, um Macht von unten aufzubauen, dadurch Machtverhältnisse zu verschieben und eigene Anliegen durchzusetzen. Ziele sind die konkrete Verbesserung von Lebensbedingungen und die Stärkung einer substantiell demokratischen Gesellschaft oder auch deren grundlegende Transformation in Richtung der Aufhebung unterdrückender und ausbeuterischer Verhältnisse.
Als Begründer gilt der Chicagoer Soziologe Saul D.  Alinsky, dessen Bücher ‚Reveille for Radicals‘ und ‚Rules for Radicals‘ als pragmatische Anleitungen zur sozialen Revolution gelesen werden können. „The Prince was written by Machiavelli for the Haves on how to hold power. Rules for Radicals is written for the Have-Nots on how to take it away.“(Alinsky 2010 [1971], 3).
Zentrale Begriffe im Community Organizing sind „Macht“, als Fähigkeit mit anderen gemeinsam zu handeln; „Community“ als ein räumlich definiertes, dynamisches Geflecht aus Beziehungen, Organisationen und Institutionen, das in einer mobilen, modernen Stadtgesellschaft nicht in erster Linie physisch oder ethnisch, sondern über gemeinsame Interessen bestimmt ist; „Organisieren“ als Zusammenbringen von Menschen, der Aufbau tragfähiger Beziehungen, Mobilisierung, die Entwicklung eines strategischen, geplanten Vorgehens und Aufbau nachhaltiger und basisdemokratischer Strukturen.
Das Herzstück und der Beginn eines Organisierungsprozesses sind Hunderte von Gesprächen in der Community, an Haustüren, bei Haus- und Nachbarschaftstreffen bzw. mit Akteur_innen aus lokalen Vereinen, Institutionen. Erkundet und ausgewählt werden Probleme, die viele betreffen/empören und an kollektivierbare Eigeninteressen anknüpfen; sie sollen veränderbar sein, d. h. konkret und überschaubar. Zentral ist dabei die Gewinnung und das Empowerment von Schlüsselpersonen (local leaders) durch den/die professionellen Organizer. Es folgt eine ausführliche Recherche, Mapping und Kartierungen (u. a. Machtanalysen, Bereitschaft zum Engagement, eigene Ressourcen) und auf dieser Basis große, sorgfältig orchestrierte Versammlungen, Aufbau von Organisationen, systematische Strategieentwicklung und Umsetzung in vielfältigen, direkten Aktionen, von Blockparties bis Boykott. Betont wird immer auch die Bedeutung von anschließender gemeinsamer Reflektion und das Feiern von Erfolgen. Party und Organizing sind keine Gegensätze – im Gegenteil!

Dr. Sabine Stövesand, Stadtteilaktivistin (u. a. Park Fiction, Initiative Esso Häuser), Professorin für Soziale Arbeit an der HAW Hamburg.