Weltoffenes Berlin

Seit 2021 wird von der Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt das Stipendium Weltoffenes Berlin ausgeschrieben. Das einjährige Stipendium richtet sich an Kunst-, Medien- und Kulturschaffende, die ihre bisherigen Aufenthaltsländer aufgrund der dortigen politischen Situation verlassen haben.

Onur Karaoğlu

Onur Karaoğlu beschäftigt sich in seiner aktuellen Arbeit mit der Frage, wie Gedächtnis und Erinnerung den Körper verändern. In seinen Videos führt er archivarische, persönliche und fiktionale Recherchen zusammen und präsentiert sie auf einer Ebene. Aus einer queeren Perspektive wird die persönliche Geschichte des Anderen einer erzwungenen Integration unterworfen, die ihre alltäglichen Aspekte unweigerlich in politische Symbole verwandelt. Karaoğlu verwandelt diese Geschichten in Videodokumente, um ihnen eine Tiefe und Komplexität zurückzugeben, die ihnen sonst verwehrt bleibt. Karaoğlu glaubt an die transformative Wirkung der ästhetischen und politischen Sprache dieser Werke. Er versucht, eine Sprache zu schaffen, die dabei helfen kann, neue Strategien zu schaffen und Veränderungen zu fordern.

In seinen Projekten arbeitet Onur Karaoğlu mit dem menschlichen Körper und entdeckt durch ihn verschiedene Bedeutungen. „Aber wessen Körper ist das?“, ist die Frage, die er sich jetzt stellt. Je älter der queere Körper wird, desto mehr verschwindet er aus dem täglichen Leben. Ohne Unterstützung, Sichtbarkeit oder angemessene Mittel für ihre Repräsentation sind alternde queere Körper einer größeren Verletzlichkeit ausgesetzt, sowohl physisch als auch emotional, und werden zu vernachlässigten und fetischisierten menschlichen Formen. Mit seinen Recherchen in Berlin möchte Karaoğlu verstehen, wie alternde queere Körper eigene Narrative verkörpern können. Welche Gesten, welche Art von Räumen, welche Art von Beziehungen sind nötig, damit sie gehört, repräsentiert und einbezogen werden können? Anstatt eine endgültige Form für diese Forschung vorzuschlagen, hofft Karaoğlu, die spezifische(n) Gegenwart(en) zu entdecken, die einen Zugang zum alternden queeren Körper schaffen, sowohl physisch als auch politisch.

Onur Karaoğlu arbeitet mit Performance, Video und Theater. Seit 2010 wurden seine Arbeiten von Festivals und Institutionen wie den Wiener Festwochen, Dancing on the Edge, Media Art Xploration und der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Patz in Auftrag gegeben und präsentiert. Seine Installationen und Videoarbeiten wurden bei Bahar (Sharjah Biennale 2017), SPOT, Operation Room und Protocinema gezeigt. Er ist eines der Gründungsmitglieder des Studio 4 Istanbul, das Theater- und Filmarbeiten produziert, und des Performance-Raums KÖŞE in Yeldeğirmeni, der sich inzwischen zu einem internationalen Performance-Festival entwickelt hat. Zwischen 2014 und 2019 arbeitete er als Direktor von Orhan Pamuks Museum of Innocence in Istanbul. Karaoğlu unterrichtete Performance-Kurse an der Boğaziçi- und der Koç-Universität. Er erwarb einen BA in Soziologie an der Boğaziçi University und einen MFA in Theaterregie an der Columbia University in New York City.

Ehemalige Stipendiat_innen:

Susan Azizi (2023)
Barış Seyitvan (2022)
Alice Kahei Yu (2021)