Empowerment / Ermutigung

2021 Typ: Glossar

Empowerment oder Ermutigung umfassen Prozesse, Strategien und praktische Schritte, mit denen Stadtbewohner_innen ihre Interessen selbstverantwortlich und selbstbestimmt zum Ausdruck bringen, sich aktiv dafür einsetzen und gemeinsame Interessen auch gemeinsam vertreten. Eine daran orientierte Urbane Praxis unterstützt und ermutigt Prozesse der Selbstorganisation und/oder schafft Rahmenbedingungen, die solche Prozesse anstoßen und ermöglichen können. Empowerment unterscheidet sich insofern von allen Formen einer Stellvertreterpolitik, bei der gewählte oder selbsternannte „Expert_innen“ für die Betroffen handeln, auch wenn dies mit den besten Absichten geschieht.
Erfahrungsgemäß sind es auch bei städtischen Initiativen und Bewegungen Einzelne, die sich u. a. durch Sprachkompetenz, Bildung, durch ihr soziales und kulturelles Kapital (im Sinne Bourdieus) auszeichnen und die zugleich auch über die zeitlichen Spielräume bzw. die materiellen Möglichkeiten verfügen, um sich in Initiativen, Projekten und bei Aktionen einzubringen. Sie sind in der Lage, Situationen zu definieren, Ziele vorzugeben sowie Inhalte, Richtung und Aktionsformen zu bestimmen.
Empowerment zielt deswegen darauf ab, auch jenen, deren Stimme üblicherweise nicht gehört wird, die sich (bisher) nicht zu Wort gemeldet und eingemischt haben, Gehör zu verschaffen und sie zu ermutigen, selbst aktiv zu werden. In städtischen Quartieren wie z. B. dem Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk mit einem überdurchschnittlichen Anteil migrantischer Bevölkerung ist es eine große Herausforderung, gerade diese Bevölkerungsgruppe in die öffentlichen Debatten darüber einzubeziehen, in welcher Stadt „wir“ leben wollen. Bisher kommt die migrantische Bevölkerung in diesem „Wir“ nicht oder nur am Rande vor.
Strategien von Empowerment zielen darauf ab, Gefühle von Ohnmacht und Ausgeliefertsein zu überwinden, die durch äußere Ereignisse und Entwicklungen ausgelöst werden, die als unverständlich und unverfügbar erfahren werden. Ein erster Schritt kann die praktische Erfahrung sein, mit individuell erlebten Problemen oder Konflikten wie z. B. rassistischer Diskriminierung, dem Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung nicht allein zu sein. Individuelle Betroffenheit kann sich so zu kollektiver Betroffenheit entwickeln. Aus dem Gefühl, gemeinsam weniger machtlos zu sein, kann schließlich der Wunsch erwachsen, sich auch selbst an kollektiven Aktionen zu beteiligen. Erfahrung dieser Art kann man im Gespräch mit anderen, ähnlich Betroffenen, in Versammlungen, bei Kundgebungen oder Demonstrationen machen. Empowerment-Strategien zielen darauf ab, Möglichkeitsräume für solche Erfahrungen zu schaffen.

Helmut Schneider: Universitäre Forschung und Lehre als Wirtschafts- und Stadtgeograph (regionale Schwerpunkte Südostasien, Großraum Düsseldorf, Ruhrgebiet); nach der Pensionierung im Jahr 2016 Mitgründer der Stadtteilinitiative „Runder Tisch Oberbilk“, des Geschichtsvereins „Aktion Oberbilker Geschichte(n)“ und seit 2019 Engagement im Rahmen des Düsseldorfer „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“