Kooperation
Die Stadt gilt als ein Habitat der Kooperation und logischer Ort für das Entstehen von gesellschaftlichen Laborsituationen und sozialen Innovationen. Der urbane Raum bietet beste Voraussetzungen für die Entwicklung neuer Werkzeuge und Handlungsmodelle, um das Versprechen auf individuelle Lebensgestaltung als positive Errungenschaft der Moderne mit der sozialen Verfasstheit des Menschen stärker in Einklang zu bringen. In der Tat kann man sowohl historisch als auch aktuell argumentieren, dass es eher die Zusammenarbeit als der Wettbewerb ist, die die Menschheit am Leben erhält. So sieht David Graeber die alltägliche Kooperation als eine Basis und Konstante in der Menschheitsgeschichte und bezeichnet sie als „elementaren Kommunismus“, ohne den eine Gesellschaft nicht funktionieren kann.
Dem Stadtsoziologen Henri Lefebvre galten Städte immer als Œuvre. Damit wollte er sie nachdrücklich von einem warenförmigen Produkt abgrenzen und betonen, dass Städte ein kooperatives Werk aller Stadtbewohner_innen sind. Diese Entwicklung sah er als gefährdet und prognostizierte schon frühzeitig Entwicklungen wie Privatisierung, Verdrängung oder globale Urbanisierung, die heute offensichtlich sind.
Die Suche nach alternativen Wegen, um den sozialen, ökologischen und ökonomischen Herausforderungen zu begegnen, hat in den letzten Jahren einen Aufschwung erfahren, der sich auch in den vielen Projekten einer Urbanen Praxis zeigt. Im Ruf der Kommunen nach Zusammenarbeit mit ihren Bürger_innen steckt aber auch ein gehöriges Maß an neoliberaler Ideologie. Wichtige Diskussionen über die Verteilung von Macht, Mitteln und den Zustand unserer demokratischen Systeme bleiben gerne auf der Strecke. Auch in Sachen Zusammenarbeit gilt es also genau zu fragen, wer mit wem, wie und warum auf welcher Basis kooperieren soll.
Das Schöne an der Kooperation der Urbanen Praxis ist ihr Potenzial, sowohl ein völlig anderes Bild einer gewohnten Situation zu erzeugen, wie auch die urbane Umgebung als stärker nutzbaren und lebenswerteren Raum zu inszenieren. Genau diese von Urbaner Praxis hervorgerufenen neuen, anderen Bilder können Ahnungen der künftigen Stadt im Hier und Jetzt stärken und konkretisieren.
Christoph Laimer ist Chefredakteur von dérive – Zeitschrift für Stadtforschung und veranstaltet gemeinsam mit Elke Rauth das urbanize! Festival. Er ist Teil des habiTAT-Hausprojekts „Bikes and Rails“. Gemeinsam mit Andrej Holm hat er zuletzt den Band „Gemeinschaftliches Wohnen und selbstorganisiertes Bauen“ (TU Academic Press 2021) herausgebracht.