Manual (DIY)

2021 Typ: Glossar

Schon seit den 1970ern gibt es zahlreiche Versuche, sich aus Sicht der Partizipation und DIY-Kulturen kritisch mit Institutionen und Konsumkultur auseinanderzusetzen. In dieser Tradition wurzelt auch die Urbane Praxis. Durch ein experimentelles Verfahren („learning by doing“: Ausprobieren und direktes Machen) und der Vielfalt an sozialen Begegnungen werden Räume geschaffen, die noch nicht bestimmt und verplant sind, sondern in denen durch eine bewusste Beteiligung eine Community/Gemeinschaft wachsen kann.
Sozialer Wandel sei in erster Linie eine räumliche Bedingung, so beschreibt es die Architektin und Künstlerin Marjetica Potrč. Und wenn dies gelingt, dann entstehen Orte, an denen die Einwohner_innen sich direkt engagieren und die eigene Lebensumgebung gestalten können. Das gemeinsame Machen und Bauen sind dabei Werkzeuge für eine räumliche und soziale Transformation (wer einen Raum selbst herstellt, wird Teil davon und fühlt sich verantwortlich). Zudem bilden die entstehenden Objekte Beziehungen zwischen den Menschen und ihrer Umgebung.
Die Hoffnung künstlerisch-aktivistischer Projekte der Urbanen Praxis ist es, dadurch Möglichkeiten der demokratischen Kommunikation, der Vernetzung, des Empowerments und der Teilhabe zu bieten. In sozialen Bewegungen (vor allem in der DIY- und Frauenbewegung), die sich für einen progressiven und demokratischen Wandel einsetzen, spielen dabei selbst publizierte Zeitschriften und „Fanzines“ eine wichtige Rolle. In solchen Heften, Flyern oder Pamphleten werden (und wurden) Comics und Illustrationen sowie Umgangssprache für die Vermittlung von kritischen kulturellen Inhalten verwendet. Das Zeichnen ist ein lebendiges, spekulatives Werkzeug künstlerischen Handelns, es kann Lernprozesse unterstützen und die Kommunikation zwischen Menschen erleichtern, die nicht dieselbe Sprache sprechen.
Kulturelle Produktion und die Praxis bleiben oft getrennt. Wünschenswert wäre, dass sie sich etwas näherkommen, sich im Sinne von Donna Haraway voneinander „kontaminieren“ lassen und zugänglicher werden für „Nicht-Expert_innen“ (ein diverses, mehrsprachiges, nicht-akademisches Publikum).

ftts / Federica Teti: Seit 2015 arbeiten die Architektin und Grafikerin Federica Teti und der Bildhauer und Performer Todosch Schlopsnies in partizipativen Strukturen mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen (mit und ohne Fluchthintergrund). In Workshops unterschiedlicher Formate wird gebaut, gegärtnert, erfunden und gespielt. Im Vordergrund steht, neben der unmittelbaren Erfahrung kultureller Teilhabe über alle Herkunfts- und Sprachgrenzen hinweg, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, was man alleine nie hinkriegen würde und außerdem großen Spaß macht. Seit 2020 künstlerische Leitung von Pilot Stadtwerk mrzn (S27).