Partizipation

2021 Typ: Glossar

oder: How to sell Grandmothers

Der Begriff Partizipation ist schon in seiner Definition uneindeutig und schwankt zwischen Teilhaben, Teilnehmen und Beteiligung. Bestenfalls gemeint ist damit ein Gestaltungsprinzip im Sinne von Mitwirkung. Dabei liegt ein Grundproblem von Partizipation in ihren Rahmenbedingungen, die selten besprochen werden: Wer beteiligt hier eigentlich wen, an was und warum? Stattdessen werden die Methodenkoffer gepackt und Partizipationsprofi XY steigt in den ICE von A nach B, um irgendwas irgendwo hin- oder wegzupartizipieren – je nach Auftrag. In einem mehr oder weniger kreativ gestalteten Prozess werden dann mehr oder weniger beteiligte und/oder anteilnehmende Menschen aufsuchend befragt, die Antworten auf bunte Karten sortiert, mit Klebepunkten behaftet und daraus dann – manchmal mehr, meistens weniger transparent – irgendein Konsens katalysiert, der eventuell dem Kontext, in jedem Fall aber dem Auftrag dienlich ist.
Das bringt uns direkt zum größten Knackpunkt in der Sache: Partizipation ist keine Dienstleistung, sondern die Grundlage unseres Zusammenlebens in einer demokratischen Gesellschaft. Wer sich jetzt also in diesem Feld bewegt, das in der Urbanen Praxis ja aus genau diesem Grund eine nicht wegzudenkende und extrem wichtige Rolle spielt, sollte sich immer wieder bewusst machen, wofür dieses Gestaltungsprinzip angewendet werden sollte: um Zugänge zu Verantwortung zu schaffen und um tatsächliche Mitwirkung zu ermöglichen. Wenn man es ernst meint mit der Partizipation, dann kann man sie nicht vom Ergebnis her denken, und dann kann man auch keine wahllos skalier- und reproduzierbaren Methoden in einen Koffer stecken und damit nach Egal-wohin fahren, wie ein Staubsaugervertreter. Kann man natürlich schon, aber dann ist es halt Stadtmarketing und/oder politische Legitimierungshilfe.
Echte Partizipation muss ergebnisoffen und situativ sein. Dazu braucht es eine gewisse Autonomie in der Durchführung, die selten gegeben ist – auch im Förderkontext nicht, wo meist schon im Vorfeld der „Impäääct“ abgefragt wird.
Wir brauchen an dieser Stelle ein neues Selbstverständnis für unsere Arbeit – und mir hilft dabei eine Idee aus der Kunst. Wenn wir nämlich Partizipation als Soziale Plastik begreifen würden (was sie ist), fiele es uns vielleicht auch leichter, die Notwendigkeit eines autonomen Schaffensprozesses einzufordern, wie er in der Kunst elementar ist und vor Geldgebenden (selten) erklärt werden muss. Schon klar, dass das mindestens so viel Vermittlungsarbeit bräuchte wie die Ideen von Joseph Beuys. Das scheint mir aber vielmehr Teil der Aufgabe zu sein, als das Sortieren von Meinungen. Denn das hat mit Gestaltung recht wenig zu tun, auch wenn es gut gemeint ist. Gut gemeint ist halt nicht gut gemacht. Kannste jede Oma fragen.

Ivana Rohr ist Künstlerin und ein Teil von endboss. Endboss ist ein interdisziplinäres Studio für Raumfragen und -antworten in allen Maßstäben.