Paz Ponce Pérez-Bustamante

„Die nGbK ist der beste Ort, wenn man politische Ausstellungen macht“

14.1.22 Typ: Mitgliederinterview

Gespräch mit Paz Ponce Pérez-Bustamante am 14. Januar 2022 per Zoom

 

Anna-Lena Wenzel: Paz, wie bist du zur nGbK gekommen?

Paz Ponce Pérez-Bustamante: Ich habe 2018 die aktivistische Plattform ¡n[s]urgênc!as gegründet – insurgencias bedeutet „Widerstände“. Es ist eine Plattform für Künstler_innen at risk aus Lateinamerika in Berlin. Im Rahmen der Portfolio-Reviewings, die ich für die Plattform organisiere, habe ich 2018 Valeria Fahrenkrog, Teobaldo Lagos Preller und Daniela Labra als Berater_innen eingeladen. Zwei Jahre später kontaktierte Valeria uns und Marcela Moraga, um eine Arbeitsgruppe zu gründen. Gemeinsam konzipierten wir das Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm museo de la democracia, mit dem wir auf die Solidaritätswelle der Proteste und nationalen Streiks in Lateinamerika reagiert haben. Bis auf mich kamen alle anderen aus Chile, was zu produktiven Diskussionen darüber geführt hat, wie man über ein Territorium sprechen kann, aus dem man nicht kommt. Es gibt noch eine weitere Verbindung zur nGbK: Für meine erste Ausstellung in Berlin, Pflegeanweisungen – The Art of Living Together in der Galerie Wedding, habe ich 2014 zu selbst organisieren Kunstorten in Berlin recherchiert. Was für Gruppen gab es? Wer hat sich wofür eingesetzt? Dabei habe ich auch ein Interview mit der nGbK geführt und die Institution kennengelernt.

ALW: Warum habt ihr euch für die nGbK entschieden?

PPPB: Die nGbK ist der beste Ort, wenn man politische Ausstellungen macht. Ich mag das Programm: Es gibt einen kontextuellen Ansatz und ein Interesse an Politik in der Stadt. Auch das breite Spektrum der Themen ist ziemlich gut, es werden immer wieder überraschende Projekte realisiert. Ich bin stolz, dass wir mit unserem Projekt Teil des Programms sind.

ALW: Warst du auch Mitglied im Koordinationsausschuss (KOA)?

PPPB: Ja, zusammen mit Teobaldo Lagos Preller, wir haben uns abgewechselt, am Ende ist Valeria für mich eingesprungen.

ALW: Was erinnerst du von den Sitzungen?

PPPB: Manchmal war es total langweilig und oldschool. Zugleich ist es sehr interessant – wenn man Zeit hat, ist es ein guter Crashkurs in die Berliner Politik. Als wir das Projekt umgesetzt haben, ging es oft um die Transformation des Vereins und den neuen Standort in der Karl-Marx-Allee, den die nGbK in ein paar Jahren beziehen wird. Da habe ich viel gelernt. Problematisch war, dass ich nicht immer alles verstanden habe – sprachlich, aber auch weil die Zusammenhänge so komplex sind.

ALW: Euer Projekt hat mitten in der der Coronapandemie stattgefunden. Inwieweit hat sie euch beeinflusst?

PPPB: Wir mussten alles umstellen und neu denken – vor allem das Begleitprogramm. Die kontingente Situation war sehr herausfordernd und kompliziert. Durch die ganzen Vorschriften mussten wir unsere Ideen ständig anpassen, und Annette Maechtel, die Geschäftsführerin, musste alles mit der Lotto-Stiftung abstimmen. Dabei wurden die Spielräume für die Kunst kleiner. Das war nicht cool. Schade fand ich auch, dass es nur zu wenigen Verbindungen mit anderen Projekten und Aktivitäten kam, obwohl es inhaltliche Überschneidungen gab. Es bräuchte jemanden, der/die das ein bisschen im Blick behält. Für das Publikum ist oft nicht unterscheidbar, wer was macht. Es war bedauerlich, dass wir untereinander nicht besser im Austausch waren, wobei das wahrscheinlich auch mit den digitalen KOA-Sitzungen zusammenhing.

ALW: Hat sich dein Blick auf die nGbK während des Projekts verändert?

PPPB: Am Anfang war ich sehr beeindruckt von der Begleitung des Projekts durch die Geschäftsstelle. Es gibt tolle Werkzeuge wie die Beratungsgespräche in der Bewerbungsphase oder den „Schulterblick“, bei dem man hilfreiches Feedback bekommt. Es war unterstützend, mit verschiedenen Expert_innen zu tun zu haben, die mit uns darüber gesprochen haben, wie man Vermittlung denken oder wie das Projekt besser die Öffentlichkeit erreichen kann. Wir haben uns gut aufgehoben gefühlt.

Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass die nGbK mehr Berlin-Style ist, als ich dachte. Es hat sich mehr nach einem selbst organisierten Kunstraum angefühlt als nach einer gut ausgestatteten Institution. Vielleicht hatte ich andere Erwartungen, weil ich in der Vergangenheit bereits für verschiedene Institutionen in Ländern wie Spanien, Griechenland, Türkei und Kosovo tätig gewesen bin. Die Frage ist, ob es besser ist, mehr material means zu haben, oder mehr Freiheit. Das Gefühl der Freiheit, das wir anfangs hatten, veränderte sich leider während der Ausstellungsvorbereitung, weil es so viel Druck gab. Man könnte sagen, dass die nGbK professionell ist – aber mehr noch ist sie politisch.

ALW: Ich weiß von vielen Gruppen, die sich während des Prozesses zerstritten haben. Wie war es bei euch?

PPPB: Das war bei uns auch so (lacht) – aber nur am Ende, und das hatte auch damit zu tun, dass wir uns lange nur digital treffen konnten. Es war einfach auch sehr viel Arbeit, vor allem durch die Umstellungen, die Corona mit sich brachte. Weil wir Angst hatten, das Budget zu überziehen, haben wir versucht, so sparsam wie möglich zu arbeiten. Am Ende hatten wir sogar noch etwas Geld übrig, das wir uns auszahlen konnten. Das war ganz gut.

ALW: Bist du noch Mitglied?

PPPB: Ja, auf jeden Fall. Methodologisch ist die nGbK einzigartig. Ich schätze an ihr, dass die Grenzen zwischen Kunst und Kuration so fließend sind. Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Mir gefällt die Entscheidung, Räume an der U5 zu haben, da so die Verbindung zum Standort in Hellersdorf gestärkt wird. Es ist wichtig für Berlin, dass sich die Kunstszene diversifiziert und dezentralisiert. Und auch die Nachbarschaft mit dem Haus der Statistik finde ich produktiv. Es gibt da viele Überschneidungen, weil es dort auch um widerständige Praktiken geht. Es ist einzigartig, dass mit den neuen Pavillons an der Karl-Marx-Allee Pläne aus der DDR umgesetzt werden und damit Geschichte fortgesetzt wird, die in den letzten Jahrzehnten verstärkt ausgelöscht wurde. Das ist eine Hoffnung für Berlin.

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