nGbK-Lectures 2024
Ort(e):
nGbK, Karl-Liebknecht-Straße 11/13, 10178 Berlin
Teilnehmer_innen
Joerg Franzbecker, Naomi Hennig, Janine Sack, Florian Wüst, Μarta Dauliūtė & Viktorija Šiaulytė, Yvonne Wilhelm/knowbotiq, Black Audio Film Collective und Natascha Sadr Haghighian & Marina Christodoulidou & Peter Eramian
Vereinsinitiative
nGbK Lecture: WIR SIND HIER: Erinnerung und Widerstand im öffentlichen Raum
01.11.24, 19:00
Gespräch mit Cana Bilir-Meier und Talya Feldman, moderiert von Gürsoy Doğtaş
Die Künstlerinnen Cana Bilir-Meier und Talya Feldman diskutieren mit Gürsoy Doğtaş, wie das von Feldman konzipierte digitale Projekt WIR SIND HIER den Überlebenden und Familien von Opfern rassistischer und antisemitischer Gewalt eine Stimme gibt und deren Forderungen nach Erinnerungsorten im öffentlichen Raum Ausdruck verleiht.
Von der Umbenennung von Straßen bis zur Gestaltung von Denkmälern werden Räume des aktiven Gedenkens und Widerstands beansprucht. Als lebendiges Archiv erhalten die Nutzer_innen der Plattform einen Überblick über rechte Gewalt und Polizeigewalt in Deutschland und der ehemaligen DDR in den letzten 40 Jahren, einschließlich Fällen von Gewalt, die noch nicht von staatlichen Behörden als Hassverbrechen anerkannt wurden.
WIR SIND HIER wurde erstmals 2022 als digitales Kunstwerk vom Kunstverein in Hamburg und kurz darauf als Modellprojekt der Bundeszentrale für politische Bildung von 2022-2023 vorgestellt. Es wird heute mit freundlicher Unterstützung der Postcode Lotterie und privaten Stiftungen fortgeführt.
Die Plattform und Installation WIR SIND HIER ist ein Projekt von Talya Feldman unter der Trägerschaft des Verbands der Beratungsstellen für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.)
wir-sind-hier.digital
Cana Bilir-Meier lebt und arbeitet in München und Wien. Sie studierte Kunst und Digitale Medien sowie Film und Kunstpädagogik an der Akademie der bildenden Künste in Wien und an der Sabancı-Universität in Istanbul. Sie arbeitet als Filmemacherin und Künstlerin sowie in Kunst- und Kulturvermittlungsprojekten. Ihre filmischen, performativen und textbasierten Arbeiten bewegen sich an den Schnittstellen zwischen Archivarbeit, Textproduktion, historischer Forschung, zeitgenössischer Medienreflexivität und Archäologie. Sie ist Mitbegründerin der Initiative zum Gedenken an Semra Ertan und Co-Herausgeberin des Gedichtbandes „Mein Name ist Ausländer – Benim Adım Yabancı“. 2021 war sie Vertretungsprofessorin für Kunstpädagogik an der Akademie der Bildenden Künste München.
Talya Feldman ist eine Medienkünstlerin aus Denver, Colorado. Sie erwarb ihren MFA an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und ihren BFA an der School of the Art Institute of Chicago. Durch ihre interkulturelle und kollaborative Praxis schafft Feldman einen sozialen Wandel durch künstlerische und pädagogische Projekte, die alternative und wiederherstellende Narrative zur Gewalt anbieten. Für ihre Arbeiten gegen den rechten Terror in Zusammenarbeit mit aktivistischen und forschungsbasierten Netzwerken in Deutschland und im Ausland hat sie weltweite Anerkennung erhalten. Feldman erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2023 den Bundespreis für Kunststudierende in Deutschland, 2022 den Berenberg Kulturpreis, 2021 den Stipendienpreis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und 2021 den DAGESH-Kunstpreis für ihre Soundinstallation „The Violence We Have Witnessed Carries a Weight on Our Hearts“ im Jüdischen Museum in Berlin.
Gürsoy Doğtaş ist Kunsthistoriker und Kurator. Er arbeitet parakuratorisch an den Schnittpunkten von Institutionskritik, strukturellem Rassismus und Queer Studies. Er (ko-)kuratierte unter anderem die Ausstellungen „There is no there there“ im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt (2024), „Annem işçi – Wer näht die roten Fahnen?“ im Museum Marta Herford in Herford (2024), „Gurbette Kalmak / Bleiben in der Fremde“ (2023) im Taxispalais in Innsbruck oder das Festival „What would James Baldwin do?“ (2024) in Berlin wie auch das Symposium „Public Art: Das Recht auf Erinnern und die Realität der Städte“ (2021) in Nürnberg. 2022/23 lehrte er als Gastprofessor am Institut für Kunst im Kontext an der Universität der Künste Berlin und ist ab diesem Herbst QuiS Visiting Research Fellowship an Städelschule und Goethe Universität in Frankfurt.
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nGbK Lecture: Unlösbar? Das Konzept des „Double Binds“ für kritische Perspektiven auf soziale Dilemmata
19.10.24, 19.00
Gespräch mit María do Mar Castro Varela und Leila Haghighat. Moderiert von Ebru Taşdemir
Kunst und Kunstvermittlung stehen oft im Spannungsfeld: Sie wollen gesellschaftliche Veränderungen anstoßen, stabilisieren aber zugleich bestehende Machtverhältnisse. Zu tief sind sie mit diesen „verbunden“ und befinden sich dadurch in einem „Double Bind“ – einem Dilemma widersprüchlicher, unlösbarer Botschaften, die jede Entscheidung aussichtslos erscheinen lassen. Auf die postkoloniale Situation übertragen, verdeutlicht Gayatri Spivak damit die bis heute fortbestehenden Widersprüche und globalen Dilemmata, die unsere Gesellschaft prägen und unsere Verstrickung darin sichtbar machen. Inwiefern lässt sich dieses Konzept zur Analyse aktueller gesellschaftlicher Debatten und Verhärtungen produktiv machen?
In der Veranstaltung stellen María do Mar Castro Varela und Leila Haghighat, Herausgeber_innen des Sammelbands „Double Bind postkolonial“, das Konzept vor und diskutieren mit Ebru Taşdemir über autoritäre Entwicklungen und die Rolle der Kunst bei der Schaffung kritischer Denk- und Handlungsräume.
María do Mar Castro Varela ist Professorin für Allgemeine Pädagogik und Soziale Arbeit an der Alice Salomon Hochschule Berlin. Sie war u.a. Fellow des Thomas Mann Hauses in Los Angeles, Gastprofessorin am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien und Senior Fellow am Institut für die Wissenschaft des Menschen. Sie ist Gründerin des bildungsLab* und Vorsitzende des Berliner Instituts für kontrapunktische Gesellschaftsanalysen. Ihre aktuellen Forschungsschwerpunkte umfassen Fragen der Ethik, des Protests, der Emanzipation und Wissensproduktion.
Leila Haghighat promoviert zum double bind in sozial engagierter Kunst an der Akademie der Künste in Wien und war zuletzt Verwalterin der Professur für Kunstvermittlung an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig (2023/2024) sowie Stipendiatin des Nietzsche-Fellowships der Klassikstiftung Weimar (2023). Sie ist Mitglied des bildungslab* und war Koordinatorin u. a. für Kulturelle Bildung am Haus der Kulturen der Welt in Berlin (2012-2017). Ihre derzeitigen Arbeitsschwerpunkte sind sozial engagierte Kunst, (Stadt)Räume, Care, Institutionsanalyse und Repräsentation.
Ebru Taşdemir ist Politikredakteurin bei der Wochenzeitung „der Freitag“. Sie studierte Publizistik und Turkologie an der FU Berlin und arbeitete als freie Autorin für verschiedene Medien. Sie war Redakteurin der deutsch-türkischen Medienplattform taz.gazete und bis 2022 Chefin vom Dienst im Berlin-Ressort der taz. Taşdemir ist zudem Mitglied der Nominierungskommissionen des Grimme-Preises und regelmäßige Kolumnistin der Reihe „100 Sekunden Leben“ im rbb-Inforadio.
X Properties: Die Filmreihe
mit Filmen von Μarta Dauliūtė & Viktorija Šiaulytė, Yvonne Wilhelm/knowbotiq, Black Audio Film Collective und Natascha Sadr Haghighian & Marina Christodoulidou & Peter Eramian
Organisiert von Joerg Franzbecker, Naomi Hennig, Janine Sack und Florian Wüst
Wie wirken sich die Kräfte des Finanzkapitals auf die soziale und kulturelle Produktion von Stadt aus? Wie kann den Aufwertungs- und Verdrängungsprozessen des boomenden Immobilienmarkts das Ziel einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung entgegengesetzt werden? Diese Fragen stellte im Herbst 2022 das nGbK-Projekt X Properties und thematisierte damit die eigene Situation der nGbK, deren Räumlichkeiten in der Oranienstraße 25 in Berlin-Kreuzberg an einen in Luxemburg registrierten Immobilienfonds verkauft worden waren. Die im Rahmen des Projekts entstandene 11. Ausgabe der Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt verbindet Berliner Fallstudien mit globalen Perspektiven auf die De-/Finanzialisierung der Stadt.
Aus Anlass der Veröffentlichung der englischen, bei EECLECTIC erschienenen E-Book-Fassung von X Properties findet in der nGbK am Alex eine dreiteilige Filmreihe statt, die die Debatte um die Ökonomisierung städtischen Lebens erneut aufgreift. Die insgesamt vier künstlerisch-aktivistischen Filme erkunden Co-Working und -Living-Modelle, die tief in die Privatsphäre eingreifen, reflektieren subjektive Handlungsmöglichkeiten innerhalb des Bankensystems sowie Migration, Zugehörigkeit und Erinnerung als Bedingungen räumlicher Machtverhältnisse im Technokapitalismus.
Good Life von Μarta Dauliūtė und Viktorija Šiaulytė (2022) dokumentiert den Alltag einer Gruppe junger Menschen, die in einem Gemeinschaftshaus im Zentrum von Stockholm nur wenige Quadratmeter große „Schlafkapseln“ mieten. Die Betreiberfirma, das Startup Tech Farm, inspiriert sie dazu, ihr gesamtes soziales Leben als Geschäftsbeziehung zu führen: Unternehmertum wird zum innersten Selbst, Gemeinschaft zur Ware. Yvonne Wilhelm verwebt in DREXCIYA or becoming transparent, translucent, transmaterial (2017) biografisches Erzählen und akustische Geschichtsschreibung zu einer Neuinterpretation der Migrationsbewegung des Sklavenhandels über Ozeane hinweg. In Twilight City, einem Film des Black Audio Film Collectives von 1989, durchstreift Olivia, eine Journalistin, das London des aufkommenden Neoliberalismus. In einem Brief an ihre vor vielen Jahren in die Dominikanische Republik zurückgekehrte Mutter berichtet sie von ihrer Suche nach Hinweisen darauf, wie sich ungleicher Wohlstand in die Stadt einschreibt, was Zuhause bedeutet und für ihre Mutter einst bedeutet haben mag. Im Mittelpunkt von The Broken Pitcher (2022) steht die Verhandlung einer Familie mit der kreditgebenden Bank über die anstehende Zwangsvollstreckung ihres Einfamilienhauses in Larnaka. Natascha Sadr Haghighian, Marina Christodoulidou und Peter Eramian stellen das reale Ereignis aus dem Jahr 2019 anhand von Erinnerungsprotokollen nach und lassen die Szene anschließend von verschiedenen Personen kommentieren: Was hätten die Bankangestellten ihrer Meinung nach tun sollen?
Termine:
Samstag, 2. Dezember 2023, 19 Uhr (en)
nGbK am Alex
nGbK Lecture: Filmscreening und Gespräch „Good Life“
Good Life
Μarta Dauliūtė, Viktorija Šiaulytė
SE/LT/FI 2022, 72 Min.
Anschließendes Gespräch mit Μarta Dauliūtė und Viktorija Šiaulytė, moderiert von Janine Sack und Florian Wüst
Good Life folgt einer Gruppe junger Menschen, die bei dem Stockholmer Co-Living-Startup Tech Farm wenige Quadratmeter große „Schlafkapseln“ mieten. Dort sollen sie ihr gesamtes soziales Leben als Geschäftsbeziehung führen. Good Life blickt auf die Rolle von Gründerinnenideologien im Zeitalter der Selbstoptimierung. Was geschieht, wenn ein von Firmen entwickeltes Narrativ Teil des innersten Selbst, wenn Gemeinschaft zur Ware wird? Für den Film erhielten Marta Dauliūtė und Viktorija Šiaulytė exklusiven Zugang zu einer Startup-Szene, deren Kultur großen gesellschaftlichen Einfluss ausübt, die jedoch nur selten Einblicke in die Welt hinter einer glänzenden Oberfläche aus Social-Media-Posts und Marketing-Slogans gewährt. Die Filmemacherinnen statteten die Bewohnerinnen der Tech Farm mit Action-Kameras aus. Den auf diese Weise entstandenen intimen Aufnahmen stellen sie 3D-Animationen, Szenen aus dem Co-Living-Alltag der Protagonistinnen sowie Interviews mit Geldgeberinnen und Bewohnerinnen gegenüber. Dadurch gelingt es dem Film, Reibungspunkte in Gründerinnenträumen auf ebenso ehrliche wie humorvolle Weise offenzulegen.
Samstag, 13. Januar 2024, 19 Uhr (de/en)
nGbK am Alex
nGbK Lecture: Filmscreeing und Gespräch „DREXCIYA + Twilight City“
DREXCIYA or becoming transparent, translucent, transmaterial
Yvonne Wilhelm/knowbotiq
DE/CH 2017, 21:30 Min.
Twilight City
Black Audio Film Collective
UK 1989, 52:00 Min.
Anschließendes Publikumsgespräch mit Yvonne Wilhelm und Joerg Franzbecker
Yvonne Wilhelm verwebt in DREXCIYA or becoming transparent, translucent, transmaterial (2017) biografisches Erzählen und akustische Geschichtsschreibung zu einer Neuinterpretation der Migrationsbewegung des Sklavenhandels über Ozeane hinweg. In Twilight City, einem Film des Black Audio Film Collectives von 1989, durchstreift Olivia, eine Journalistin, das London des aufkommenden Neoliberalismus. In einem Brief an ihre vor vielen Jahren in die Dominikanische Republik zurückgekehrte Mutter berichtet sie von ihrer Suche nach Hinweisen darauf, wie sich ungleicher Wohlstand in die Stadt einschreibt, was Zuhause bedeutet und für ihre Mutter einst bedeutet haben mag.
Samstag, 10. Februar 2024, 19 Uhr (de/en)
nGbK am Alex
nGbK Lecture: Filmscreening und Gespräch „The Broken Pitcher“
The Broken Pitcher
Natascha Sadr Haghighian, Marina Christodoulidou, Peter Eramian
DE/CY 2022, 69:00 Min.
Anschließend ein offenes Gespräch mit Natascha Sadr Haghighian, moderiert von Joerg Franzbecker und Naomi Hennig
Im Mittelpunkt von The Broken Pitcher (2022) steht die Verhandlung einer Familie mit der kreditgebenden Bank über die anstehende Zwangsvollstreckung ihres Einfamilienhauses in Larnaka. Natascha Sadr Haghighian, Marina Christodoulidou und Peter Eramian stellen das reale Ereignis aus dem Jahr 2019 anhand von Erinnerungsprotokollen nach und lassen die Szene anschließend von verschiedenen Personen kommentieren: Was hätten die Bankangestellten ihrer Meinung nach tun sollen?