Eva Hertzsch

„Wir wollten lieber in Gruppen arbeiten“

27.6.25 Typ: Mitgliederinterview

Eva Hertzsch und Adam Page sind seit 2009 Teil der kontinuierlich arbeitenden Arbeitsgruppen Kunst im Untergrund (2009 bis 2018) und station urbaner kulturen (seit 2019). Seit 2014 engagieren sich die AGs in Hellersdorf, woraus sich der zweite Standort der nGbK entwickelt hat. Die „station urbaner kulturen/nGbK Hellersdorf“ besteht aus einem Ausstellungs- und Veranstaltungsraum in einem Ladenlokal: 2014 bis 2016 auf dem Cecilienplatz, seit 2017 am Kastanienboulevard. Dazu kam von 2016 bis 2024 eine nahegelegene Grünfläche, genannt Place Internationale, für (Außen)-Aktivitäten, Ausstellungen und Workshops mit Anwohner_innen, Künstler_innen, Schüler_innen und Studierenden. Die Fläche wurde vom Bezirksamt bis September 2024 kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Das Interview mit Anna-Lena Wenzel fand am 15. September 2024 statt, in einem von der AG aufgebauten Pavillon, genannt „Klassenzimmer der Zukunft“, der seit Juni auf der Place Internationale Platz gefunden hat. Doch die Tage auf der Grünfläche sind zum Zeitpunkt des Gesprächs bereits gezählt: Ende September läuft der Nutzungsvertrag aus und die Fläche muss für einen Schulneubau freigemacht werden.  


Von der U-Bahnstation Cottbusser Platz sind es nur ein paar Minuten Fußweg zur Place Internationale; kaum kommt man aus der U-Bahnunterführung heraus, führen Treppenstufen auf eine große Fläche, die mit Gräsern, Büschen und Bäumen bewachsen ist. Auf ausgelaufenen Trampelpfaden kommt man zu einer Wiese, auf der mehrere Billboards und ein braun-grüner Pavillon stehen. Durch eine Tür mit Rampe kommt man in einen erstaunlich geräumigen und hellen Raum, in dem gerade die Ausstellung Laborschule Berlin zu sehen ist. Hier sind Projekte zu sehen, die durch die AG von 2022 bis 2024 mit lokalen Schulen realisiert wurden. Sie beinhalten Visionen für den kommenden Schulneubau auf der Wiese. Es ist Sonntag, der letzte Tag der Berlin Art Week, am Tag vorher wurde in der station eine Ausstellung mit DDR-Fotograf_innen eröffnet. Als ich eintrete, erzählt Eva gerade mehreren Besucher_innen etwas zum Pavillon. Weil stetig neue Besucher_innen hereinkommen – darunter auch alte Bekannte und Kinder aus der Geflüchtetenunterkunft in direkter Nachbarschaft –, ist Eva unermüdlich am Erzählen. Ich schalte mein Mikrofon an.


Besucherin:
Was hat es mit der Architektur auf sich?

Eva Hertzsch: Das ist ein Pavillon der Dresdner Bank. Er wurde Anfang der 1970er Jahre in Frankfurt am Main von ABB Architekten entworfen zusammen mit der Konzernzentrale der Dresdner Bank, dem Silberturm. Er stand auf dem Frankfurter Messegelände als Ort, mit Kund_innen ins Gespräch und ins Geschäft zu kommen. Im Raum waren Teppichboden und offene Tresen, mit viel Glas und auf Augenhöhe, das war schon sehr kundenfreundlich. Die grüne Farbe ist das Sachsengrün und stammt von Otl Aicher, der u. a. auch das Lufthansa-Logo und die Piktogramme für die Olympischen Spiele entworfen hat. Der Pavillon wurde 1983 auf der Messe abgebaut, warum, weiß ich nicht.

Dass das ein modularer Prototyp ist, merkt man daran, dass die Teile nicht so ganz gleich sind. Er stand dann viele Jahre bei einem Sportverein, dann beim Reit- und Fahrverein in Waldsolms, zwischen Gießen und Frankfurt. Die Vereine haben ihn genutzt, aber auch räumlich verändert, z. B. haben sie die Drehtür aus- und umgebaut. Auf Initiative der AG wurde der Pavillon hierher transportiert, wiederaufgebaut und teilsaniert. Seit Anfang Juni 2024 ist er im Nutzen.

Besucherin: Wie habt ihr den Pavillon gefunden?

EH: Wir waren Ende 2021 wie jedes Jahr für die Grünfläche auf der Suche nach einem abschließbaren Container für unsere Sommerprojekte und in dem Zuge hat das ehemalige AG-Mitglied Ralf Wedekind diesen Pavillon auf eBay entdeckt.

Besucher: Mit Selbstabholung?

EH: Ja echt, und mit Rückbau [lacht]. Das war eine ganz schöne Odyssee, weil der unglaublich schwer ist. Das sind 10 Glasfaserkunststoff-Wannen, die sich flexibel zusammensetzen lassen. Dazu kommt eine einfache Stahlkonstruktion als Rahmenkonstruktion und die schwere 9-teilige Kassettendecke oben. Alles muss mit Kran bewegt und Schwerlaster transportiert werden. 

Besucherin: Was war früher auf der Grünfläche? 

EH: Früher gab es hier auch schon einen Schulcampus, aber 2008 war die Schüler_innenzahl so niedrig, dass der Abriss beschlossen wurde. Seitdem wächst diese Fläche wild. Das ist ein wunderschöner Ort. Es gibt hier einen riesigen Feldhasen und viele andere Tiere und Pflanzen.

Besucherin: Und jetzt soll eine neue Schule gebaut werden mit Sportplatz etc.?

EH: Ja, sogar eine ziemlich große, eine Holz-Compartmentschule im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive. Der Senat für Bildung hat einige Jahre lang neue Lehrkonzepte recherchiert und daraus ein architektonisches Raumkonzept entwickelt. Das ist eine spannende Sache, es waren wichtige Expert_innen, z. B. Erziehungswissenschaftler_innen, beteiligt. Dieses Konzept wird jetzt überall in Berlin als „Offensive“ angewendet, aber leider ohne Rücksicht auf die vorhandenen Gegenbenheiten und Eigenheiten der Orte. Wir sind nicht gegen eine Schule, wir wollen nur, dass dieser Prozess nicht so ad hoc stattfindet, sondern die Anwohner_innenschaft einbezogen wird und Gespräche über diesen Ort geführt werden. Wird es eine Standardschule oder könnte man mal über ein Pilotprojekt für Berlin-Hellersdorf nachdenken – eine Umweltschule zum Beispiel oder eine Schule, die sich zur Nachbar_innenschaft hin öffnet. Das Problem in unseren Augen ist außerdem, dass es ein Einheitsbau ist, ein ziemlich großer Schuhkarton, der hier reingesetzt wird. Dafür wird kein Baum mehr stehenbleiben und die Fläche wird komplett versiegelt. Unser Vorschlag ist, die Grünfläche pavillonartig zu bebauen, mit einzelnen Gebäuden, die miteinander verbunden sind, die viel Grün und Zugänge nach Außen übriglassen und mit einer Grünfläche als Herzstück in der Mitte freibleibt.

Besucherin: Aber das ist nicht gewollt?

EH: Die Anwohner_innenschaft und zum Teil die Politik machen sich für einen Dialog über den Umgang mit der Fläche und das Weiterbestehen des Pavillons stark, aber der Staatssekretär für Bildung und der Stadtrat für Schule lehnen Beteiligung ab. Der Bezirk muss Baufeldfreimachung gewährleisten, dafür muss alles weg, ohne dass klar ist, ob der Neubau durchfinanziert ist.

Wir wussten immer, dass wir wieder wegmüssen, weil wir einen begrenzten Nutzungsvertrag haben. Der wurde Jahr für Jahr verlängert, weil wir hier „so schöne Projekte machen“, weil wir hier soziale Zusammenhänge schaffen, weil wir uns mit ökologischen Inhalten beschäftigen, weil wir mit den Mitteln der Kunst hier zivilgesellschaftlichen Zusammenhalt generieren. Viele Leute sind ziemlich schockiert, dass die Bildungsverwaltungen nicht auf diesen sozialen und kulturellen Fundus setzen. Überall werben Verwaltungen mit „Mach mit“, aber hier bremsen sie Engagement aus. 

Anna-Lena Wenzel: Was für Projekte sind das?

EH: Wir arbeiten zum Beispiel seit zwei Jahren zu dem Thema „Schule der Zukunft“, haben einen Arbeitskreis gegründet, Recherche betrieben, gemeinsame Workshops und Arbeitstreffen gemacht. Dabei ging es auch darum, die fehlenden Klassenräume der umliegenden Schulen mit unserem Klassenzimmer im Freien zu ergänzen. Wir haben den Schulen angeboten, hierher zu kommen. Die Schulen sind sehr dankbar für so eine Ausweichmöglichkeit, auch weil die Kinder gut finden, mal raus zu kommen. Das ist wie Spielen, wenn sie sich hier frei bewegen dürfen. 

ALW: Wie geht es weiter?

EH: Der Arbeitskreis „Schule der Zukunft“ hätte schon ein paar Ideen für die neue Schule [lacht]. Hier ist doch ein Ort, an dem man etwas Besonderes schaffen kann, ein Pilotprojekt an Schule, irgendwas, was diesen Ort und das Umfeld wahrnimmt und die Bewohner_innenschaft und den Grünraum miteinbezieht. Die Hoffnung ist, dass wir uns in den zukünftigen Schulbau integrieren können. Als Klassenzimmer der Zukunft ist dieser Ort als Vermittlungsort und Ort für Aushandlungsprozesse gedacht gewesen für Nachbarschaft, Schule und Kunstverein. So einen Ort zu haben, erwirkt ein anderes Verständnis für diese gebaute Fläche als wenn du kommst und etwas hinstellst ohne Vermittlung.

Besucherin: Sind Sie im Kontakt mit der Verwaltung?

EH: Ja, mit verschiedenen Ämtern. Das bezirkliche Stadtentwicklungsamt unterstützt unsere Anliegen seit vielen Jahren. Und wir haben ein gutes Netzwerk von Kunstinstitutionen, Schulen, Universitäten, Umweltinitiativen, Quartiersmanagement und Vertreter_innen des Bezirks und der Parteien und so weiter.

Besucherin: Sind das hier Modelle für die Bebauung?

EH: Diese beiden Modelle sind Masterarbeiten von zwei angehenden Architekten von der TU. Sie haben sich Ende letzten Jahres mit uns in Verbindung gesetzt und gesagt, sie würden gerne zum Thema Schule der Zukunft arbeiten. Sie haben eine Projektierung für das benachbarte Gelände der ehemaligen Max-Reinhardt-Oberschule gemacht, die jetzt die Gemeinschaftsunterkunft Maxie-Wander-Straße ist. Wenn die irgendwann einmal leergezogen sein sollte, schlagen die beiden vor, eine Gesamtschule mit allen nötigen Gebäuden auf diesem schon versiegelten Gelände zu errichten und die Grünfläche als grünen Schulhof komplett frei zu lassen.     

ALW: Habt ihr hier mit Vandalismus zu tun?

EH: Was hier manchmal passiert, ist, dass der Feuerteufel durchzieht. Es gibt immer so Phasen. Erst vor kurzem sind drei Dinge abgebrannt, unter anderem das Holzhäuschen vom Puppentheater e. V. da vorne im Gebüsch, ein lokaler Verein. Und auf dem Boulevard Kastanienallee stand eine künstlerische Arbeit von Jelena Fuzinato, ein Brunnen, der als Gemeinschaftsprojekt entstanden ist, der auch abgebrannt ist. Und dann stehen hier öfter mal Autos oder Lieferwägen in Flammen. Ich glaube eher nicht, dass das politisch motiviert ist, sondern Frust und eine In-Hellersdorf-ist-alles-scheiße-und-langweilig und Hier-ist-ja-nichts-los-Stimmung. So ist das Bild des Stadtteils: Die Jugendlichen haben das Gefühl, sie werden nicht richtig ernst genommen. Sie erfahren nicht besonders viel Respekt oder Anerkennung von außen. Das ist auch ein Grund, der uns bewogen hat, ganz eng mit der Nachbarschaft zusammen zu arbeiten.

Besucherin: Alles Gute!

EH: Danke.


Der Besucher_innenfluss ebbt etwas ab und ich nutze die Chance, Eva ein paar persönlichere Fragen zu stellen.


ALW:
Wie lange sind Adam [Page] und du schon Mitglieder der nGbK?

EH: Wir sind 2007 nach Berlin gezogen, aber da haben wir unser zweites Kind bekommen und sind wahrscheinlich nicht gleich Mitglied geworden [lacht], es war eher 2008. 

ALW: Ihr habt aber vorher schon als Künstler_innen in der nGbK ausgestellt.

EH: Genau, das war 2003, da waren wir Teil der Ausstellung World Watchers, unter anderem von Christiane Mennicke kuratiert, die wir noch aus Dresden kannten. Wir hatten ein gefaktes Kunststoff-Tiefgaragentor an der nGbK-Fassade installiert inklusive Videokamera und Ampel, um auf die zunehmende Privatisierung hinzuweisen. Da war die Gentrifizierung der O-Straße offensichtlich schon längst im Gange.

ALW: Seid ihr Mitglied geworden, um ein konkretes Projekt zu realisieren, mit dem ihr euch beworben habt?

EH: Wir sind bei der AG Kunst im Untergrund eingestiegen und konnten an der neuen Konzeption des Wettbewerbs für 2009 mitarbeiten. Daraus wurde die Ausschreibung U10 – Von hier aus ins Imaginäre und wieder zurück und die dreijährige Umsetzung. Wir fanden spannend, da eine Sozialraumrecherche draus zu machen. 2013 kamen wir dann als Teil des Arbeitskreises zur Neugestaltung des Wettbewerbs nach Hellersdorf und kuratierten von 2014 bis 2017 Was ist draußen? und Mitte in der Pampa.

ALW: Ihr seid doch bestimmt gefragt worden?

EH: Hm, wir kamen nach Berlin und kannten niemanden so richtig. Wir sind in den Verein eingetreten, um in die Szene reinzukommen und mit Leuten in Kontakt zu treten. Wir haben die Nähe zum gemeinsamen Arbeiten, zum leidenschaftlichen Denken und gemeinsam Aktiv-Sein gesucht. Das war Teil unserer Arbeitspraxis: 1995 haben wir in Dresden unseren ersten Projektraum eröffnet. Da hatten wir beide Ateliers in einem ziemlich heruntergekommenen Haus und haben dann im Erdgeschoss in einem Ladenlokal das Projekt Zwischenstation Dresden kuratiert. Wir haben Künstler_innen und Architekt_innen eingeladen, die Räume zu nutzen und auf aktuelle Diskurse in der Stadt zu reagieren. In dem Moment, in dem du sagst, das ist nicht nur deine Arbeit, sondern ein gegenseitiger Austausch, verändert sich dein Selbstverständnis. Dazu hat auch die Teilnahme an der documenta X beigetragen. Nach einem Besuch von Catherine David in der Zwischenstation wurde Adam zur documenta X eingeladen, die 1997 stattfand. Da haben wir beschlossen, nur noch unter gemeinsamem Namen aufzutreten. Wir hatten als Künstler_innenduo im Ausstellungsgeschäft gut zu tun, aber haben gemerkt, dass das Überleben im Kunstbetrieb nur mit viel Ellbogen und Ego möglich ist und sich ziemlich neoliberal anfühlt. Wir wollten lieber in Gruppen arbeiten und uns nicht nur auf unsere Kunstwerke konzentrieren.

ALW: Es würde mich interessieren, wie du eure Arbeit beschreibst. Ich hatte ich mich bei der Vorbereitung gefragt, wie wohl eure Selbstbezeichnung ist.

EH: Wir haben unsere Arbeiten früher „situationsspezifisch“ genannt. Heute sprechen wir von „Produktion, Vernetzung und Vermittlung als ortspezifische künstlerische Praxis“. Nach dreißig Jahren Praxis in Nachbarschaften, Schulen und im Stadtraum haben wir festgestellt, dass es an zentralen Orten oft ein Überangebot von Kunst gibt, einschließlich neoliberalem Konkurrenzkampf zwischen den Künstler_innen, und dass es an den Orten der Peripherie oft wenige Angebote und nur wenige Künstler_innen gibt. Wir haben einige Jahre in Dresden-Prohlis und in Hellersdorf gebraucht, bis wir ein Publikum generiert haben, aber durch unsere langfristige Präsenz wurde das Publikum zu einer sehr loyalen Community. Dann kann man anfangen, mit den Leuten echte „Partizipation“, oder besser gesagt, eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zu machen. Unser künstlerischer Beitrag ist, starke ästhetische Bilder zu produzieren, die den Erzählungen und Belangen der Community Aufmerksamkeit und Power verleihen bzw. sie lokal vermitteln und überregional vernetzen.

ALW: Du sagst, dass es um starke Bilder geht und machst gleichzeitig die Community-Arbeit stark. Was ist der Unterschied eures Ansatzes zu Kunstvermittlung oder Sozialarbeit?

EH: Es ist keine klassische Vermittlung, bei der du dein Wissen weitergeben willst. Es geht vielmehr um Austausch und die Bearbeitung von Themen. Das Thema Schule zum Beispiel wird in dieser Ausstellung bearbeitet, weil der Ort als Schulstandort existiert und weil es die Anwohner_innenschaft beschäftigt, was hier hinkommen soll. Wir setzen dieses Thema dann bildhaft um. Die künstlerische Arbeit liegt darin, dass wir die Ideen, Wünsche und Bedürfnisse der Leute in Austausch bringen und sie damit stärken. Wir kommunizieren über künstlerische Bildsprache, die Anstöße dazu kommen oft von den Leuten hier vor Ort. Zur Verhandlung der Themen gehören der Ausstellungsbetrieb auf der Grünfläche oder eine Teilnahme bei der Art Week genauso wie ein Besuch bei der Bezirksverordnetenversammlung. Den Unterschied zwischen unserer Praxis und Sozialarbeit erleben wir täglich durch unsere Stellen an der Alice-Salomon-Hochschule für Soziale Arbeit, Gesundheit und Erziehung, wo wir seit 2023 für ein Outreach-Projekt verantwortlich sind. Zum Auftakt unseres Projektes Zwischenräume haben wir die Litfaßsäule vor der Hochschule komplett mit einem großen Schriftzug tapeziert und zwei Tage lang an einem Kran auf dem Platz baumeln lassen. Der Schriftzug kündigte unsere Gründung eines ASH-Anwohner_innenbeirats an. Die Mitarbeiter_innen und Studierenden dieser Hochschule waren erstaunt, dass wir eine Beiratsgründung so präzise als Kunstwerk im öffentlichen Raum behandelt haben. 

ALW: Wie seid ihr hier nach Hellersdorf gekommen?

EH: Jochen Becker als Teil der Gruppe metrozones Berlin war 2013 gleichzeitig Mitglied in der AG Kunst im Untergrund. Er brachte die beiden Gruppen zusammen und wir sind alle vom Alex aus nach Hellersdorf geradelt, entlang der U-Bahnlinie U5. Dieser gemeinsame Tag hat die zukünftigen Themen der AG geprägt: das Verhältnis zwischen Mitte und Peripherie, zwischen West und Ost und damit die Fragen zur Solidarischen Stadt und Ankunftsstadt. An dem Tag haben wir, als wir die Geflüchtetenunterkunft gegenüber angeschaut haben, diese Grünfläche entdeckt. Kurz zuvor hatte es eine Neonazi-Demo vor der Unterkunft gegeben. Da haben wir beschlossen, es ist dringlich und notwendig, dass wir hier bleiben, um Kunst und Kultur, Veranstaltungen und Dialogräume zu schaffen. So entstand 2014 das Konzept für den Kunst im Untergrund-Wettbewerb Was ist draußen? zwischen Tierpark und Hönow. Inzwischen arbeiten wir fast ausschließlich hier. Es ist eine bewusste Entscheidung. 

ALW: Ihr seid neben der Arbeitsgruppe Kunst im Untergrund, die ihr 2019 abgegeben habt, die einzige langfristige Arbeitsgruppe, die es noch gibt und betreibt mit der station seit 2014 den zweiten institutionellen Standort der nGbK in Hellersdorf, dadurch habt ihr einen Sonderstatus.

EH: Ja, es ist ein Zugeständnis von Seiten der Geschäftsleitung zu sagen, es ist wichtig hier zu sein, obwohl am Anfang nicht klar war, wo das hinführen würde; für uns als Künstlerpaar war es ein wichtiger Schritt, die Möglichkeit zu bekommen, langfristig an diesem Ort im Namen der nGbK zu arbeiten. Aber es ist uns allen klar, dass das ein irrer Auftrag ist – vor allem, weil wir uns nicht mit einem Ladenlokal begnügen, sondern uns jetzt noch einen riesen Pavillon leisten, das ist natürlich auch ein bisschen frech [lacht]. Ich finde das beachtlich und auch nicht selbstverständlich, denn letztlich haftet die Geschäftsleitung dafür. Wobei es natürlich Diskussionen darüber gibt, was aus der station werden wird, weil sie ein bisschen wie ein fünftes Rad wirkt, das mitgezogen wird.

Es wird uns immer wieder gesagt, ihr seid nur eine Arbeitsgruppe wie alle anderen auch. Aber ich kann nur sagen, wir sind keine normale Arbeitsgruppe. Wir haben hier inzwischen über einhundertfünfzig Ausstellungen und Veranstaltungen mit über fünfzig lokalen Partner_innen durchgeführt. So eine Dichte ist solitär.

Es ist immer wieder ein wichtiger Punkt zu vermitteln, was wir hier machen, wenn die Leute sagen: „Ihr seid verrückt. Ihr habt ein Jahr lang hier den Pavillon aufgebaut, obwohl ihr wusstet, dass es bald zu Ende gehen kann“. Ja, aber die Monate seit der Einweihung waren dafür umso intensiver. Es gehört zu dieser Art künstlerischer Arbeit dazu, zäh zu sein, neue Räume aufzumachen und durchzuhalten, auch wenn der Pavillon wieder abgebaut werden muss. Und klar hoffen wir, ihn bald woanders im Stadtteil wiederaufbauen zu können.

Anm. d. Red.: 2025 und 2026 stellt die nGbK der Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH) den Pavillon zur Verfügung. Mehr Infos hier.

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Pavillon "Klassenzimmer der Zukunft"

Di, 4.6. – Mo, 30.9.24 Typ: Ausstellungsraum Ort: Klassenzimmer der Zukunft

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