Kyiv Perenniale: Was bleibt von der Völkerfreundschaft?
Ein Symposium der Prater Galerie, kuratiert und organisiert von Lena Prents und Antonina Stebur
Mit deutsch-englischer Simultanübersetzung und der Artistic-Lunch-Performance „Plates of Unity“ von HakkaMoon
Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine wird in Deutschland in vielen Medien auf das Bild der ehemaligen Freundschaft und der heutigen Feindschaft zwischen den zwei Völkern angespielt. Kaum ein privates Gespräch unter denjenigen, die im Sozialismus und mit der Ideologie der Völkerfreundschaft aufgewachsen sind, kommt ohne Reflexion über die einstige Verbundenheit der „Völker der Sowjetunion“ aus. Freundschaft ist ein wichtiger Begriff mit einer komplexen Beziehungsgeschichte. Aber was heißt bzw. hieß das eigentlich, wenn ganze Völker befreundet waren? Welcher Art war diese Freundschaft, die einerseits emanzipatorische und versöhnende Aspekte, aber auch hierarchische und sogar koloniale Gebärden enthielt?
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Völkerfreundschaft über die Sowjetunion hinaus zu einem zentralen Propagandabegriff im sozialistischen Lager. So ideologisch und unehrlich der Begriff seinem Ursprung nach auch ist, teilweise wurde er doch mit Leben gefüllt. Unter dem Titel Völkerfreundschaft oder Freundschaft und Brüderlichkeit gab es tatsächliche Begegnungen und Freundschaften – zwar nicht von Völkern, aber von Menschen. Und es gab einen kulturellen Austausch, der für beide Seiten gewinnbringend war. Eine stabile Freundschaft der Völker ist dabei anscheinend aber nicht entstanden: Mit dem Ende des Sozialismus begann eine schier endlose Reihe von völkisch-nationalen Konflikten bis hin zu Kriegen, woran sich bis heute nichts geändert hat.
„Was bleibt von der Völkerfreundschaft?“ ist ein Symposium, das die Idee von Freundschaft und Brüderlichkeit in (post-)sozialistischen Kontexten in den Mittelpunkt stellt. Es widmet sich dem Begriff und seiner realen Ausprägung aus historischen, dekolonialen, kunstwissenschaftlichen Perspektiven und lädt zum Nachdenken darüber ein, wie die politische Vorstellungskraft von Künstler_innen sowie feministische und queere Imaginationen die Idee von Freundschaft in neue Bindungen und Gemeinschaften verwandeln: etwa in die Idee der Schwesterlichkeit, der Fürsorgegemeinschaft oder der Wahlverwandtschaft.
Referent_innen: Felix Ackermann, Zhenia Belorusets, Vika Biran, Olena Oleksandra Chervonik, Taras Gembik, Tereza Hendl, Beáta Hock, Iva Kovač, Kata Krasznahorkai und Bojana Pejić
Das von Olexii Kuchanskyi kuratierte begleitende Filmprogramm wird im Veranstaltungsraum der nGbK zu sehen sein.