Sich zu verbünden bedeutet zu sprechen
Überlegungen zum CCC-Symposium
von Mon Sisu Satrawaha มอ่ น ศศิุสาตราวาหะ
2024
Nach meiner Teilnahme am CCC-Symposium (Curating through Conflict with Care) blicke ich von Zeit zu Zeit zurück und denke an den Dialog zwischen den anderen Teilnehmer_innen vor der Abschlusssitzung. Als wir die Ergebnisse unserer Gruppendiskussionen austauschten, gingen wir, wenn ich mich recht erinnere, in eine lebhafte Debatte darüber über, ob es möglich ist, unsere Wünsche an die Institutionen heranzutragen und einen Wandel herbeizuführen. Die Teilnehmer_innen des Symposiums kamen aus den unterschiedlichsten Bereichen und Regionen, doch komischerweise waren die Konflikte, die wir durchlebten, universell.
In diesen Gesprächen tauchte der Gedanke der Solidarität und der potenziellen gewerkschaftlichen Organisation auf, was wiederum zu Fragen nach den Nutznießer_innen einer solchen Einheit führte und danach, ob sich dieser idealistische Impuls mit dem inhärent kapitalistischen Charakter der Kunstwelt vereinbaren lässt.
Ich verließ das CCC Symposium inspiriert und mit vielen Fragen. Der Grundgedanke der Fürsorge war ersichtlich, aber irgendwie wurde es kompliziert, die Fürsorge in die Praxis umzusetzen, während Konflikte so leicht auftreten können. Ich versuchte, mir den Begriff Fürsorge vorzustellen – ein Begriff, der oft mit kommerziellen Bildern von Umarmungen und freundlichen Gesten aufgeladen ist. Menschen, die sich umarmen, eine Mutter, die ihr Kind mit liebevollen Augen anschaut, Hotelpersonal, das einen mit einem Lächeln empfängt, ein Team von Mediziner_innen, das kranke Menschen heilt. Hängt die Demonstration von Fürsorge vom physischen Ausdruck ab? Kann echte Fürsorge durch verbale Äußerungen angemessen vermittelt werden? Diese Überlegungen ermutigen zu einer zaghaften Bereitschaft, neue Dimensionen der Fürsorge zu erkunden.
Wenn es um institutionalisierte Care-Praktiken geht, scheinen diese noch weit entfernt zu sein von der eigentlichen Fürsorge. Machtungleichgewichte und der trügerische Schein trüben die Aufrichtigkeit der Fürsorge. Dennoch gab es eine Zeit lang verschiedene Aktionen – Forderungen nach gerechtem Lohn, nach inklusiver Zugänglichkeit für marginalisierte Gruppen (BIPOC, LGBTQIA+, Menschen mit Behinderungen) und nach dem Fördern der Interdependenzen zwischen Menschen und der nicht-menschlichen Sphäre. Solche Forderungen haben sich dauerhaft gehalten, von der Zeit vor der Pandemie bis heute, und unterstreichen die wiederkehrende Notwendigkeit von Verbesserungen.
Auch wenn es ziemlich düster klingen mag: Ich sehe es als ein gutes Zeichen, dass wir uns über die Probleme einig sind, die wir anerkennen müssen. Wie Zhang Tian in ihrem Manifest, das bei unseren Leserunden großen Anklang fand, erwähnte, müssen auf dem Weg zu einer “Care Economy“ Grenzen gesetzt und respektiert werden. Um Fürsorge zu stärken, brauchen wir ein unerschütterliches Engagement für sie und einen entschiedenen Widerstand gegen Ungerechtigkeit. Während systemische Gewerkschaftsbildung einengend erscheinen mag, kann ein organischer Ansatz eine Option sein. Er kann damit beginnen, eine einfache, aber tiefgründige Frage zu stellen: „Wie geht es dir?“, mit Gesprächen beim gemeinsamen Essen oder bei der Teilnahme an einem Symposium. In der Hoffnung, dass sich diese kleinen Schritte in ein harmonischeres, fürsorgliches künstlerisches Ökosystem einfügen werden.
Quellen
Ndikung, Bonaventure Soh Bejeng, The Delusions of Care, Berlin 2021.
von Bismarck, Beatrice, und Meyer-Krahmer, Benjamin (Hrsg.), Cultures of the Curatorial 3: Hospitality. Hosting Relations in Exhibitions, Berlin 2015.
k\are (Habraschka, Agnieszka, and von Matt, Mia), “Collective Care Manifesto”, in: Elke Krasny, Sophie Lingg, Lena Fritsch u.a. (Hrsg.), Radicalizing Care. Feminist and Queer Activism in Curating (London/Wien 2021), S. 92-97.
Zhang, Tian, “A manifesto for radical care or how to be a human in the arts”, in: Sydney Review of Books, Juli 2022, https://sydneyreviewofbooks.com/essay/a-manifesto-for-radical-care-or-how-to-be-a-human-in-the-arts/ (abgerufen am 4. April 2024).