In diesen drei Tagen bin ich ein Schwamm

von Maike Siu-Wuan Storf
2023

In diesen drei Tagen bin ich ein Schwamm. Ich, die ich mich bisher vorwiegend in artifiziellen Räumen aufgehalten habe, halb Aquariumszucht, halb Tafelschwamm, sauge mich mit Meerwasser auf. Lasse mich umfließen von Gedanken, Ideen, Gefühlen, Worten, Menschen, von den Themen und Inhalten, von der Fürsorglichkeit, mit der diese Veranstaltung kuratiert wurde, und von den Begegnungen dazwischen. Ich bin ein sehr schüchterner Schwamm und als das Mikrophon die Runde macht, die Gedanken abschließend zu teilen, habe ich Angst, aus meinem Mund käme nur Wasser, salzig und bittersüß, ungefiltert. Einen Moment später nehme ich mein Kind nach dem Papa-Wochenende am U-Bahnhof in Empfang und tauche mit ihm für einen kurzen Moment zurück die Runde, lasse ihn im Licht der zärtlichen Blicke paddeln und bin dankbar, dass ich in diesem Kreis Teil sein durfte. Ich werde ihm davon erzählen. Dass ich als Schwamm davon gehört habe, wie es sein könnte, mit Delfinen zu schwimmen und wie viele Geschichten im Miteinander zu finden sind.


Mein Kind ist tatsächlich für mich zum Kompass oder zu einer Art Symbolfigur in den Fragen um Kunst, Kuration und Care geworden. Die Verantwortung für und die Auseinandersetzung mit diesem kleinen Menschen fordern mich, mit meinem Außen und meinem Inneren in Konflikt zu gehen, anstatt mich in fantastische Parallelwelten zu flüchten. Das ist eine persönliche Erfahrung meiner Elternschaft, die ich in keiner Weise verallgemeinern oder voraussetzen möchte.

Aber diese Erfahrung hat mich aus mit Salz angereichertem Süßwasser in Salzwasser versetzt. Ich kann mich nicht mehr so bewegen wie vorher, muss eine neue Form finden und den Rahmen, den ich Kunst gegeben habe, immer wieder neu in Frage stellen. Als Mensch und als Künstlerin. 


„Social Sustainability“ ist der Building Block, über den ich während des Symposiums mit einem Delfinschwarm diskutieren und gemeinsam denken darf. Wir stellen fest, dass wir uns nach zwei Formen von sozialer Nachhaltigkeit sehnen. Wir wünschen uns langlebige Solidarität, Loyalität und Verbindlichkeit in unseren Arbeitskontexten, um angstfrei agieren zu können, und wir wollen unsere Arbeiten nachhaltig, barrierefrei und nicht elitär zugänglich und wirksam machen. Die Trennungen und Hierarchien zwischen Inhalt und Vermittlung auflösen. Und es soll Essen dabei geben. Ich kann mir vorstellen, dass das Geheimnis der Umsetzung in einer Symbiose aus Kunst, Konflikt und Care besteht. Wenn wir Kunst als eine Form der Care-Arbeit verstehen, mit der wir Konflikten begegnen können und gleichzeitig Care-Arbeit als Kunst umdeuten, die uns hilft, Konflikte zu verhandeln. Das mag zu einfach gedacht sein, aber es könnte auch ein kleiner Fels im wilden Gewässer sein, an dem ich mich festsauge und von dem aus ich weiter Wasser aufnehme. Kunst könnte das Spielfeld sein, auf dem wir für eine bessere Gesellschaft üben und unsere Forderungen an sie formulieren.


Insofern weiß ich eins sicher: Wenn das, was in diesen drei Tagen stattgefunden hat, einen Namen braucht, dann ist das Wort dafür „Kunst“. Ganz tief in meinen schwammartigen Zellstrukturen fühle ich, ich habe an einem sehr besonderen Moment teilgehabt. Ich bin ein glücklicher Schwamm. Das waren drei wunderschöne Tage am Meer im Aquarium am Kottbusser Tor.


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