Institutionalisierung des Konflikts

Post-Konflikt oder Institutionalisierung des Konflikts
von Rubén Ojeda Guzmán
2023

Fast zwei Monate sind seit dem CCC-Symposium vergangen und es ist an der Zeit, zu reflektieren, was passiert ist, und die entsprechenden Erzählungen herauszuarbeiten. Ich werde mich auf drei Themen konzentrieren, die während des Symposiums meine Aufmerksamkeit erregt haben: institutionalisierter Konflikt, institutionelle Porosität und das Schlachtfeld. Diese Themen stehen in Zusammenhang mit meiner Erfahrung als Künstler, der sich aufgrund der Gewalt und Militarisierung im Krieg gegen Drogen in einer Art selbst auferlegtem Exil befindet.


Diese Situation hat mich wiederholt dazu veranlasst, die historische, philosophische oder soziale Funktion meiner künstlerischen Praxis und des Kunstsystems im Allgemeinen zu hinterfragen. Besonders wenn man bedenkt, dass die aus Krisen resultierende Diaspora, die sich über Europa erstreckt, im Kunstbereich eine einzigartige Bedeutung annimmt. Eine Europatournee zu unternehmen verleiht dem Lebenslauf des Künstlers, wenn man es vom Ort des Aufbruchs betrachtet, ein besonderes Gewicht und erregt beträchtliche Aufmerksamkeit.


Diese, um es salopp auszudrücken, adelsähnliche Situation der Anerkennung künstlerischer Karrieren durch ein Zentrum – mit Stopps in Madrid, Berlin oder London – zielt auf Institutionalisierung ab. Doch zugleich beziehen Künstler_innen und Kurator_innen aus dem sogenannten globalen Südens durch Rebellion, Reaktion auf Konflikt und Ausdruck von Krisen deutlich Stellung. Wie kann man diesen widersprüchlichen Impuls zur Verkörperung der Krise mit dem Wunsch nach Institutionalisierung in globalen Zentren in Einklang bringen?


Ich möchte glauben, dass dieser Kampf um Institutionalisierung neben einem möglicherweise narzisstischen Streben auch ein Streit um die historische Erzählung der Kunst ist. Ich glaube dies, weil der Weg zur Institutionalisierung sowohl bürokratisch als auch sozial ist und nur wenigen zugutekommt, obwohl künstlerische, kuratorische und verwandte Arbeiten im Übermaß entstehen. Das Zentrum übt eine doppelte Kraft aus: Anziehung und Zentrifugation, wobei alles so schnell auf es zuströmt, dass die Reaktion eine zentripetale Kraft ist, die alles nach außen drängt und marginalisiert.


In dieser Metapher ist das Museum eine Zentrifugalkraft, die als kultureller Wirbel betrachtet werden könnte, der Künstler_innen, Kritiker_innen, Kurator_innen und andere kulturelle Akteur_innen mittels des Versprechens von Anerkennung, Prestige und Sichtbarkeit in seinen Kern zieht. Doch einmal im Inneren des Wirbels gefangen, ist man in einer kreisförmigen Bewegung gefangen, in der dieselbe Struktur, die einen zum Zentrum gezogen hat, einen auch marginalisiert oder hinsichtlich des Zugangs, der Anerkennung und der vollen Teilnahme einschränkt.


Dennoch haben Wirbelbewegungen oft eine gewisse Durchlässigkeit an ihren Rändern, und die Kunstinstitution ist ebenfalls porös: Sie erlaubt den Ein- und Ausgang von Objekten, Subjekten und Diskursen. Sie gestattet ein gewisses Maß an Eintritt und Teilnahme, auch wenn sie eine zentralisierte und exklusive Struktur in ihrem Kern aufrechterhält. Die Maschinerie lässt Trends herein und filtert sie. Sie instrumentalisiert Krisen, die in Konfliktzonen oder bei rassifizierten und sexuellen Minderheiten lokalisiert sind. Institutionelle Porosität dient einer politischen Agenda. Die Maschinerie ist ein politisches Spektakel und nährt sich von der kritischen Natur der Kunst.


Aber das Museum muss erobert werden. Auch wenn es später erneut angefochten werden muss. Was sicherzustellen ist, ist die unbestimmte Natur des ‚Künstlerischen‘ und damit des Dissenses. Da Kunst ein Konzept ohne Definition ist, welche  Institutionen behaupten, bereitzustellen, muss dieseangefochten werden. Kunst ist ein Schlachtfeld. Kunst ist Konflikt.


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