Müssen wir uns mögen, um füreinander zu sorgen? (CCC)

von Moshtari Hilal (CCC)
2024

Die Kunstszene wird aus unterschiedlichen Gründen als „Szene“ bezeichnet. Sie dient nicht nur als Kulisse für theatralische Performances, Posen und Positionierungen, sondern auch als Raum, in dem die Abgrenzung von den gewöhnlichen Realitäten des Mainstream-Konsums und der Arbeit oft intellektualisiert wird. Auch wenn die Kunst einem Markt, einer Industrie oder einer Disziplin ähnelt, bleibt sie doch unbestreitbar eine Arena, in der sich Kreativität und Kommerz überschneiden, in der Tiefe und Oberfläche miteinander konkurrieren und in der der Einzelne inmitten ausbeuterischer Arbeitsbedingungen um Anerkennung kämpft.

In diesem chaotischen Umfeld betonen traditionelle Denkweisen die Macht von professionellen Freundschaften und Netzwerken. Ein neuer Trend deutet darauf hin, dass eine wachsende Identitäts- und Repräsentationsökonomie ermöglicht, dass immer mehr alternative Stimmen in bisher exklusive Kreise aus Cliquen- und Vetternwirtschaft eindringen können. Die Forderung nach Vielfalt hat zwar einige Türen geöffnet und einzelne Namen ins Rampenlicht gerückt, doch ein grundlegender Wandel ist nach wie vor schwer zu erreichen. 

Projekte, die sich mit Identitätspolitik, Fürsorge und Safe Spaces in der Kunst befassen, sind wertvoll, wenn es darum geht, marginalisierten Stimmen Gehör zu verschaffen und einen wertschätzenden Diskurs zu fördern, aber ihre Wirksamkeit auf strukturelle Veränderungen ist begrenzt. Diese Initiativen, die oft auf Ehrenamt oder Niedriglöhnen beruhen, genießen manchmal nur punktuelle Aufmerksamkeit oder werden zu thematisch eingeschränkten Token für Unternehmen und Institutionen. In Deutschland müssen marginalisierte Gruppen in ihren Anträgen überzeugend darlegen, dass ihre Interessen und Bedürfnisse mit der Agenda der multikulturellen Demokratie oder liberalen Antidiskriminierungsmitteln übereinstimmen. Diese Infrastrukturen und die selektiven staatlichen Investitionen führen tendenziell zu einem ständigen Wettbewerb unter Marginalisierten und machen sie anfällig für staatliche Einflussnahme und Zensur.

Um unseren Fokus vom kulturellen Partikularismus auf pragmatische kollektive Bemühungen zu verlagern, müssen wir uns zunächst als Arbeiter_innen im Kapitalismus verstehen und den Mythos des kreativen Genies sowie den Essentialismus der authentischen Informant_innen auflösen. Wir brauchen ein praktisches Verständnis davon, was es bedeutet, eine Künstlerin zu sein, und dürfen dies nicht als exzentrische und exklusive Karriere betrachten, sondern als Arbeit, die sich an der aufgebrachten Zeit und Energie messen lässt und eine angemessene Entlohnung und Anerkennung verdient. Ehrliche Diskussionen über die materiellen Bedürfnisse und die praktischen Bedingungen sind entscheidend, um den Weg für mehr Inklusion und Chancen für marginalisierte Demografien zu ebnen, anstatt den Künstlertypus des Bohemiens in seiner Exklusivität zu verherrlichen. 

Der Irrglaube, dass Prekarität und Trauma die Kreativität hervorbringen, hindert uns daran, anzuerkennen, dass in Wirklichkeit Privilegien und Komfort die inspirierendsten Arbeitsbedingungen für Künstler_innen schaffen. Bedingungen wie sichere Wohnverhältnisse, bezahlbare Ateliers, Reisen und Freizeit ermöglichen künstlerischen Ausdruck, experimentelle und kontroverse Forschung und Auseinandersetzung. Erst wenn wir unsere gemeinsamen materiellen Interessen anerkennen, können wir uns ernsthaft mit der Frage der politischen Verantwortung auseinandersetzen und im nächsten Schritt für ethische Praktiken einsetzen, die  institutionelle Vorgaben und Einflussnahmen herausfordern können. Dazu müssen wir zunächst unsere Grundbedürfnisse sichern. Traditionell linke Organisierungsformen wie Gewerkschaften, Streiks, Boykotte und Lohntransparenz könnten als wirksame Mittel zur Erreichung dieser Ziele dienen. Die kollektive Solidarität ermöglicht es uns, Kritik zu äußern, ohne materielle Verluste befürchten zu müssen, und die politische Realität zu gestalten, die sich in unseren künstlerischen Arbeiten wiederfindet. 

Die letzten Monate, in denen in demokratischen und liberalen Staaten wie Deutschland mehreren regierungskritischen Künstler_innen die Mittel oder Engagements abgesagt wurden, dienten für viele Kulturarbeiter_innen als Warnsignal. Während Kurator_innen angeblich Anrufe von Staatsbeamt_innen erhalten, die eine aktive Zensur fordern, geben andere Institutionen den von rechten Blogs initiierten Verleumdungskampagnen nach und streichen Künstler_innen, Schriftsteller_innen und Kulturarbeiter_innen aus ihren Programmen, ohne sich ernsthaft um eine Vermittlung der Konflikte zu bemühen. Während einige Organisator_innen und Kurator_innen wegen ihres Sprachgebrauchs und der Äußerung von politischem Protest bei der Polizei angezeigt wurden, kam es bei anderen bereits zu Hausdurchsuchungen. Der Berliner Kultursenat versuchte eine Klausel durchzusetzen, wonach öffentliche Gelder in der Kunst von der politischen Einstellung der Arbeiter_innen zu Israel abhängig gemacht werden sollten, wodurch die Überwachung und Sanktionierung geopolitischer Analysen und abweichender Meinungen bürokratisiert würde. Aufgrund erfolgreicher Organisationsarbeit wurde die Klausel jedoch vorerst fallen gelassen. 

Vielen Kulturarbeiter_innen wurden die Grenzen individueller Positionen im Konflikt mit staatlich sanktionierten Narrativen und Interpretationen der Welt schmerzlich bewusst. Die Kunstszene brauchte dringend einen Realitätscheck und erkannte schließlich den hochpolitischen Status quo, der sich lange hinter der distanzierten Abstraktion und dem zynischen Sarkasmus der Kunstwelt verborgen hatte. Jetzt wurden minimalistische, pastellfarbene Installationskünstler_innen aufgrund ihrer persönlichen Überzeugungen zur Zielscheibe der Zensur, während hyperpolitische kuratorische Projekte trotz ihrer symbolischen Verwendung von Widerstandsvokabular schweigsam blieben, auch aufgrund ihrer Abhängigkeit von öffentlichen Geldern.

Es ist an der Zeit, sich von der Oberflächlichkeit identitätspolitischer Positionierungen zu verabschieden und sich die transformative Kraft zielgerichteter Organisation zu eigen zu machen. Durch die Festlegung klarer Ziele, die Mobilisierung und Koordinierung von gemeinsamen Mitteln und Bemühungen können Künstler_innen strategische Ergebnisse durch kollektive Anstrengung erreichen, um den Status quo in Frage zu stellen und die Welt um sich herum nachhaltig und sinnvoll zu beeinflussen. Ein großes Problem linker, progressiver und kritischer Gruppen ist die Zersplitterung ihrer Bemühungen und Ressourcen trotz ihrer eigentlich gemeinsamen Interessen und Ziele. Oft geraten Gruppen in Konflikt und spalten sich aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über Theorie, Sprache und sogar Ästhetik. Meinungsverschiedenheiten werden als persönliche Angriffe empfunden, Widersprüche werden als moralisches Versagen gewertet, und Kritik untereinander wird oft als destruktiver Angriff und nicht konstruktiver Meinungsaustausch gewertet. 

Das Organisieren, sowohl als Werkzeug als auch Vorgang, wird als ein Rückzugsort missverstanden, als ein Schutzraum im Prozess. Viele neigen dazu, zu vergessen, dass wir nicht zusammenkommen, weil wir uns mögen, sondern es ist eine Dringlichkeit, ein Bedürfnis, ein gemeinsamer Feind, der uns zusammenbringt. Daher ist die Solidarität, die uns zusammenkommen und gemeinsam kämpfen lässt, nicht unbedingt die geteilte Liebe füreinander, sondern höchstwahrscheinlich die geteilte Wut, die geteilte Angst, der geteilte Konflikt, den wir angehen, lösen oder bewältigen wollen. Die utopische Vorstellung einer Traumabindung über geteilte Diskriminierungserfahrungen in vollständig sicheren Räumen verzerrt die Realität der politischen Organisierung. Dieser muss Raum für Konflikte, für Unterschiede, für Widersprüche und Dissens schaffen und aushalten können. Die Kraft kollektiver Bemühungen liegt in der gemeinschaftlichen Menge und darin, dass wir trotz Konflikte gemeinsame Ziele und Strategien finden, indem wir uns auf die drängendsten und gefährlichsten Bedrohungen für unser Leben konzentrieren. 


Vorteile der zielgerichteten Organisation 


Langfristige Wirkung und Nachhaltigkeit: Im Gegensatz zu Ad-hoc-Initiativen oder Projekten, die in erster Linie auf persönlichen Beziehungen beruhen, konzentriert sich die zielorientierte Organisation auf die Schaffung eines dauerhaften systemischen Wandels und den Aufbau nachhaltiger Strukturen, Netzwerke und Kapazitäten im Kunstbereich.

Strategischer Fokus: Durch die Annahme eines zielorientierten Ansatzes können Kunstarbeiter_innen und Kulturorganisationen ihre Bemühungen strategisch bündeln. Zielorientiertes Organisieren legt den Schwerpunkt auf klare Ziele und strategische Planung, um sicherzustellen, dass die Anstrengungen zu messbaren Ergebnissen führen können. Diese Ergebnis- und Wirkungsorientierung trägt dazu bei, die Wirksamkeit kollektiven Handelns und der Ressourcenzuweisung zu maximieren. 

Verantwortung und Auswertung: Durch die Festlegung klarer Ziele und Vorgaben erleichtert eine zielorientierte Organisation den Umgang mit Verantwortlichkeit und die Auswertung von Ergebnissen. Diese Transparenz und Rechenschaftspflicht sind entscheidend für den Aufbau von Vertrauen, die Aufrechterhaltung der Initiative und die erforderliche Anpassung von Strategien, um die gewünschten Ergebnisse zu erreichen.

Stärke in Zahlen: Durch kollektive Organisierung können Künstler_innen ihre kollektive Stärke und ihren Einfluss nutzen, um bessere Konditionen auszuhandeln, bessere Arbeitsbedingungen zu sichern und unfaire oder ausbeuterische Praktiken in der Kunstindustrie anzufechten. Dies kann besonders für Künstler_innen von Vorteil sein, die als Einzelpersonen nicht über die gleiche Verhandlungsmacht oder die gleichen Ressourcen verfügen.

Aufbau von Gemeinschaft und Netzwerk: Das Organisieren bietet Künstler_innen die Möglichkeit, über ihre persönlichen Netzwerke hinaus Kontakte zu knüpfen, zusammenzuarbeiten und unterstützende Gemeinschaften aufzubauen. Dies kann Kreativität, Innovation und gegenseitiges Lernen fördern und Künstler_innen emotionale und professionelle Unterstützung bei der Bewältigung der Herausforderungen einer Karriere in der Kunst bieten.

Soziales und politisches Engagement: Das Organisieren ermöglicht es Künstler_innen, sich aktiver in sozialen und politischen Fragen zu engagieren und ihre Plattformen und ihren Einfluss zu nutzen, um Aufmerksamkeit zu generieren, Unterstützung zu mobilisieren und Veränderungen auf breiterer Ebene zu bewirken. Dies kann das Eintreten für soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte, ökologische Nachhaltigkeit und andere wichtige Anliegen umfassen, die sich mit der Kunst überschneiden.


Eine nähere Betrachtung von zwei Methoden 

DISCLAIMER: Die Antworten in den Interviews geben nicht die Ansichten der nGbK wieder.

Strike Germany
— 5 Antworten zu ihren Strategien und Einsichten


Wer seid ihr und wie habt ihr euch zusammengefunden, warum habt ihr euch entschieden, anonym zu bleiben? 

STRIKE GERMANY ist ein Streikaufruf und keine Organisation an und für sich. Es gibt keine Mitgliedschaft oder Finanzierung. Wir sind ein breites Bündnis von Künstler_innen, Filmemacher_innen, Schriftsteller_innen und Kulturarbeiter_innen in Berlin. Wir bleiben anonym, um dem Aufruf zu erlauben, für sich selbst zu sprechen und um Raum für eine dynamische Antwort auf Deutschlands intensivierte Unterstützung der Gewalt des israelischen Staates in Palästina zu schaffen.

Warum habt ihr euch für einen Streik und nicht etwa für einen Boykott entschieden, um euren Protest und eure Kritik auszudrücken? Und was sind die Bedingungen und Forderungen eures Streiks? 

Indem STRIKE GERMANY den Rahmen eines Streiks wählt, spricht es Künstler_innen und Kulturarbeiter_innen als Menschen an, die ihre Arbeit verweigern können – nicht nur ihr Geld, ihre Aufmerksamkeit oder ihren Namen. Ein Streik unterstreicht, dass es um konkrete Forderungen geht. Wir unterstützen nachdrücklich den von Palästinenser_innen geführten Aufruf zu Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) gegen Israel und haben uns entschieden, unsere Forderungen als Streik zu bezeichnen, um unsere Kampagne zu unterscheiden. STRIKE GERMANY richtet sich an Kulturarbeiter_innen, die zu Ausstellungen, Festivals und Podiumsdiskussionen in deutschen Kulturinstitutionen eingeladen werden 1

Warum habt ihr euren Streik auf Deutschland konzentriert und wird er auf diesen Staat beschränkt bleiben oder plant ihr auch einen Streik gegen die USA? 

STRIKE GERMANY konzentriert sich auf die deutschen Kultureinrichtungen aufgrund ihrer Nähe zum deutschen Staat. Während wir uns der Mitschuld der USA an der Durchführung des israelischen Krieges in Gaza sehr wohl bewusst sind, ist es keineswegs ersichtlich, dass der Entzug der Arbeitskraft von Kulturarbeiter_innen aus der US-Wirtschaft denselben Effekt hätte wie im deutschen Kontext. Schon die Drohung mit STRIKE GERMANY reichte aus, um die Kommentator_innen in Rage zu versetzen, und brachte innerhalb weniger Tage nach Veröffentlichung des Aufrufs zahlreiche panische und paranoide Feuilletonartikel hervor. Deutschland ist unser Ziel, weil wir in Deutschland wohl oder übel zu Hause sind – und trotz der immer festeren Entschlossenheit des Staates, uns nicht zu integrieren, sind wir hier.

Wie unterstützt ihr Kulturarbeiter_innen, die durch die Teilnahme am Streik wesentliche materielle Verluste erleiden müssen? 

Wir laden alle, die in Deutschland arbeiten, dazu ein, ihre Solidarität zu bekunden, wenn sie dazu in der Lage sind. STRIKE GERMANY richtet sich jedoch nicht in erster Linie an Kulturarbeiter_innen, die in Deutschland arbeiten und für ihren Lebensunterhalt und ihren Aufenthaltsstatus von den lokalen Strukturen abhängig sind. Wir begrüßen und ermutigen andere Gruppen und Bündnisse, die Streikfonds einrichten, um diejenigen zu unterstützen, die ihre Arbeit für deutsche Institutionen niederlegen, aber wir erkennen an, dass wir uns als informelle Koalition nicht dazu verpflichten können, eine solche Infrastruktur zu betreiben. Die dringende Aufforderung an die Arbeiter_innen zu handeln erkennt an, dass diese Aktion unterschiedliche Formen annehmen wird, die von unseren besonderen prekären Verhältnissen geprägt sind. Aber nicht zu handeln und die Freiheit und Würde des palästinensischen Volkes hier in Deutschland und in Palästina einzufordern, wie es so viele Institutionen in Deutschland immer noch nicht getan haben, führt nur zu moralischem Bankrott angesichts des anhaltenden Völkermords 2 .

Welche unerwarteten Allianzen oder Konflikte gab es in diesem Prozess?

In einem Interview sagte der mit dem Turner-Preis ausgezeichnete Künstler Jesse Darling über STRIKE GERMANY: „Der Streik wurde kritisiert, weil er keine klaren Ziele hat, aber er spiegelt die prekären Bedingungen der Kulturarbeiter_innen wider. Und als Künstler_innen sind wir Arbeiter_innen des Bildes und des Wortes, und diese Aktionen sind das, was uns zur Verfügung steht.“ Der Aufruf zu STRIKE GERMANY ist eindeutig in seinem Engagement für die Befreiung des palästinensischen Volkes. Jede Ambiguität liegt darin begründet, dass wir uns an eine breite und vielfältige Koalition von Kulturarbeiter_innen wenden, die alle nicht die gleichen Arbeitsbedingungen haben. Indem wir für viele Strategien offen bleiben, wird unsere Bewegung stärker. Unabhängige Koalitionen wie DJs for Palestine und Ravers for Palestine haben auf unseren Aufruf geantwortet und sind ihm vorausgegangen, und wir sind inspiriert von der Arbeit der Writers Against the War on Gaza (WAWOG) in den USA. Auch in Südafrika, Ägypten, Libanon, Jordanien, dem Vereinigten Königreich und den USA sind Kampagnen zur Ablehnung deutscher Kulturförderung entstanden. Die Kraft des kollektiven Kampfes liegt in unserer Fähigkeit, uns vorzustellen, was wir gemeinsam tun könnten; sie beruht auf unserer Bereitschaft, auf die typischen Maßstäbe des Erfolgs im Bereich der Kulturarbeit zu verzichten und stattdessen auf die gemeinsamen Horizonte von Befreiung und Revolution zu blicken.


Warum Kunstgewerkschaften
— 5 Fragen an ein bbk-Mitglied


Warum sollten wir einer Kunstgewerkschaft beitreten?

Ihr solltet einer Kunstgewerkschaft aus denselben Gründen beitreten, aus denen eine Arbeiterin in jedem anderen Bereich seinerihrer Gewerkschaft beitreten sollte. Gewerkschaften bieten Schutz, Macht in Zahlen und eine Plattform, um gemeinsame Interessen zu vertreten. Die statistische Korrelation zwischen Arbeitsbedingungen und Gewerkschaftsmitgliedschaft ist gut dokumentiert. In der Kunst, einem Bereich, in dem alle Beschäftigten selbständig sind und daher keinen Zugang zu vielen gesetzlichen Mitteln des Arbeitnehmerschutzes/der Arbeitnehmerrechte haben, sind Gewerkschaften besonders wichtig. Der bbk berlin ist die einzige mir bekannte Gewerkschaft im Kunstbereich, die ihren Mitgliedern kostenlose Rechtsberatung anbietet – in einem Bereich, in dem Machtmissbrauch weit verbreitet ist und die meisten Arbeiter_innen nicht vermögend sind, ist dies ebenfalls ein wichtiger Vorteil.

Wie kann man einer Kunstgewerkschaft beitreten?

Indem man das Beitrittsformular ausfüllt – im Falle des bbk berlin ist dies: https://www.bbk-berlin.de/en/membership.

Warum glaubt ihr, dass die meisten unserer CCC-Teilnehmer_innen sich mit transformativen Fragen beschäftigen und nach Solidarität suchen, aber keine Mitgliedschaft in eurer Gewerkschaft haben? Wie würdet ihr das ändern?

Ich möchte lieber auf der fragenden als auf der antwortenden Seite dieser Frage stehen! 

bbk berlin befindet sich in einer Übergangsphase, die ehemals recht homogene Mitgliederstruktur verschiebt sich derzeit. Während wir früher mehrheitlich ältere, muttersprachlich deutsche Mitglieder hatten, sind in letzter Zeit viel mehr junge, PoC- und internationale Künstler_innen beigetreten, aber wir sind in diesen Demografien in der Stadt noch weniger bekannt. Diejenigen, die bei uns mitmachen, gestalten unsere Arbeit mit ihrer Stimme, ihrer aktiven Teilnahme an Arbeitsgruppen, ihrem Feedback und der Möglichkeit, als Kandidatin in den Vorstand gewählt zu werden. Wir sind in einem höheren Maße selbstorganisiert/künstler_innengeführt als viele ähnliche Organisationen – eine Mitgliedschaft bedeutet also die Chance, unsere Arbeit in hohem Maße mitzugestalten. Ich denke, dass der bbk berlin aufgrund seiner Komplexität ein gewisses Imageproblem hat – wir haben zwei gemeinnützige Tochtergesellschaften und darin viele Büros / Werkstätten / Tätigkeitsfelder. So assoziieren manche Künstler_innen den bbk berlin nur mit einem Teil, den sie kennen, z.B. dem Atelierprogramm oder der Bildhauerwerkstatt, und wissen nicht, dass wir ein Verband sind. Es ist schwierig, das gesamte Spektrum unserer Arbeit effektiv zu kommunizieren, weil es sehr umfangreich ist.

Was sind die Hauptkonflikte innerhalb der Gewerkschaft und wie geht ihr diese an?

Unsere Hauptkonflikte sind Generationskonflikte, unterschiedliche politische Auffassungen innerhalb unserer Mitglieder, derzeit vor allem, wie sehr / ob wir zu politischen Themen jenseits der Kulturpolitik in Deutschland Stellung beziehen sollten. Wir haben die typischen Probleme der Arbeit als Kollektiv – Kompromisse finden in einer Gruppe mit unterschiedlichen Überzeugungen, Work-Life-Balance, Selbstausbeutung. Wir gehen sie durch Gespräche an – und wenn es um Entscheidungen geht, durch Abstimmungen.

Inwieweit ist eure Gewerkschaft mit anderen Arbeit außerhalb des Kunstsektors verbunden?

Wir arbeiten mit Kampagnen zusammen und unterstützen sie dort, wo es Überschneidungen mit den Interessen von Künstler_innen gibt – einige Beispiele sind das Elterngeld für Freiberufler_innen, Proteste gegen die Mietpreiskrise in Berlin oder gegen Nazis. Wir arbeiten auch mit ver.di zusammen. Die überwiegende Zahl der Kooperationen mit anderen Organisationen findet aber innerhalb der Kunst statt: mit den Gewerkschaften und Institutionen im Bündnis der Freien Szene oder dem Rat für die Künste.


  1. Anm.d.Red./nGbK: Der Bundestag hat am 17. Mai 2019 einen Antrag mit dem Titel „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ angenommen und verurteilt die BDSKampagne und den Aufruf zum Boykott von israelischen Waren, Unternehmen, Wissenschaftler_innen, Künstler_innen und Sportler_innen: Es sollen keine Organisationen finanziell gefördert werden, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen. Länder, Städte und Gemeinden werden aufgerufen, sich dieser Haltung anzuschließen.
  2. Anm.d.Red./nGbK: Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung verteidigt sich Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof gegen den Vorwurf Nicaraguas, an einem Völkermord im Gazastreifen beteiligt zu sein. Im Fall Südafrika gegen Israel hat der Internationale Gerichtshof am 26. Januar 2024 Israel aufgefordert, alle Maßnahmen zu ergreifen, um Handlungen zu verhindern, die als Völkermord im Sinne der Völkermordkonvention von 1948 angesehen werden könnten.

Manufacturing Consent in Deutschland

Konflikte kuratieren ohne Carewashing? (CCC)

Konflikt als Methode: Überlegungen zum gemeinsamen Lernen im Symposium (CCC)

Über CCC

Curating through Conflict with Care, 2022

VERTRÄGE: Worüber verhandelt werden kann

Was sind legitime Gründe für die Behauptung einer Identität?

Sharing is Caring: Support-Systeme

CCC Symposium 2023 mit Textbeiträgen

Ein Rezept für Landanerkennungen.

Eine polyphone Hypothese

Dokumentation durch Beobachtungen: Wie man Konflikte (nicht) dokumentiert

Müssen wir uns mögen, um füreinander zu sorgen? (CCC)

Raum kuratieren: Bottom-up/Bottom-down/Bottom-around

Offene Fragen und Wunschliste

Institutionalisierung des Konflikts

Zu Fragen zum Thema Konflikt

Ressourcen für die Finanzierung

Sich zu verbünden bedeutet zu sprechen

In diesen drei Tagen bin ich ein Schwamm

Unbehagen Pflegen

Tools und Resourcen: wie man sich organisiert

Wie können wir uns organisieren und was können wir von Institution verlangen?